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Das Kollektiv gegen Kane & Co.

Bayern München gegen VfB Stuttgart: Die Bezeichnung „Südgipfel“ ist in dieser Saison erstmals seit über zehn Jahren mal wieder passend. Wenn man die augenblickliche Form in der Bundesliga betrachtet: Flop-Team gegen Flow-Team. Zweiter gegen Dritter. Eine Ansammlung von Individualisten gegen eine echte Trainermannschaft.

Dritter gegen Zweiter hieß es auch am 33. Spieltag der Saison 2003/2004 in Stuttgart. Der VfB gewann 3:1 nach Toren von Imre Szabics (2) und Kevin Kuranyi. Der letzte Sieg in München? Das Freak-Spiel 2018 unter Captain Kork mit einem heiß gelaufenen Tassos Donis am 34. Spieltag. Die letzten Begegnungen in München spielte der VfB im Mai und September 2022 jeweils 2:2. Würde ich wieder nehmen. Oder ist uns das mittlerweile zu wenig?

Der Rekordmeister ist nicht gerade in Top-Form.
Die Stimmung auch eher mittel. Trainer Thomas Tuchel immer schlecht gelaunt, zu wenig Spieler und dann auch noch die falschen, immer am meckern, er ist nie zufrieden. Ein echter Bruddler halt. Wahrscheinlich war er in den 90er und 2000er Jahren einfach zu lange in Stuttgart. Nach dem 1:0 bei Manchester United Tuchel mit einer überraschenden Charmeoffensive: Das wäre die beste Leistung in der Champions League Gruppenphase gewesen und er interpretiert die mediokre Leistung als gelungene Reaktion auf das 1:5 Debakel in der Bundesliga gegen Frankfurt. Ungewöhnlich für Tuchel, der ansonsten gerne und viel darüber spricht, was nicht klappt und besser werden muss.

Tuchels Wirken hat bisher erstaunlich wenig Einfluss auf das bayerische Team und seine Spielweise: Systemisch ist wenig zu sehen, immer noch entscheidet die individuelle Klasse einzelner Spieler die Begegnungen. Deshalb ist es noch kein Flop-Team: In der Champions League ungeschlagen, in der Bundesliga lediglich eine Niederlage. Aber in München hat man sich mehr erhofft vom Top-Trainer. Dessen Hoffnungen bei der Kaderplanung („Holding Six“) sich wiederum nicht erfüllten. Es passt noch nicht zwischen Trainer und Club.

Das Gegenteil ist beim VfB der Fall:
Sebastian Hoeneß hat den Club zur Überraschung der Saison gemacht. Erst der Klassenerhalt, dann das Feuerwerk. Euphorie und Begeisterung in Stuttgart. Intelligent, rasend schnell und strukturiert bespielt der VfB seine Gegner. Ist in den meisten Spielphasen dominant und hat vor allem eine Spielidee, die Hoeneß immer wieder anpasst. Tuchel ist jedenfalls beeindruckt, der VfB sei “sehr klar und sauber in den Abläufen, sehr stabil“. Das Ergebnis:

  • Traumwandlerische Kombinationssicherheit
  • Aggressivität in Zweikämpfen
  • Intelligentes Pressing, in den richtigen Zonen, zum richtigen Zeitpunkt
  • intensives Gegenpressing
  • Clevere Raumaufteilung, meist asymmetrisch
  • Eine enorme Lust, das eigene Tor zu verteidigen
  • Widerstandskraft in kritischen Situationen, auch wenn das Team bei Rückschlägen ein bisschen Zeit benötigt, bis es sich erholt.

Eine Mannschaft ist immer auch ein Abbild ihres Trainers. Auf der einen Seite ein Bedenkenträger. Auf der anderen einer, der begeistern kann, ohne euphorisch zu werden. Während es für Tuchel fast schon eine Last zu sein scheint, dass er sich mit dem unausgewogenen Bayern-Kader rumärgern muss, hat Sebastian Hoeneß den Spaß am Spiel nach Stuttgart zurück gebracht. Das sieht man nicht nur in den Augen der dauergrinsenden Fans, sondern auch auf dem Platz.

Serhou Guirassy und Deniz Undav sind mit cleverem Pressing die ersten Verteidiger, Alex Nübel mir vertikalem Spielaufbau der erste Angreifer. Der VfB im Winter 2023 funktioniert als Kollektiv. Und nur so funktioniert die Taktik von Sebastian Hoeneß, die sich weniger über Positionen als vielmehr über Räume definiert, die bespielt werden müssen. Welcher Spieler das am Ende macht, ist dabei zweitrangig.

Wie die Umsetzung in Perfektion aussieht, haben wir in der ersten Halbzeit gegen Leverkusen erlebt. Bringt der VfB diese Leistung auch in der Allianz-Arena auf den Rasen, wird es schwer für die Bayern. Andererseits konnte man sich in der zweiten Halbzeit nicht des Eindrucks erwehren, dass die vielen Spiele in den letzten Wochen so langsam an die Substanz gehen. Das wird nochmal richtig weh tun gegen ein Team, dessen Umschaltspiel nach wie vor das beste ist. Apropos weh tun: Drei Tage später steht dann auch schon die Partie gegen Augsburg an.

Zum Weiterlesen:

Maximilian Mittelstädt ist nicht wie von uns vermutet ein eher mittel-mäßiger Neuzugang, sondern eine maxi-male Verstärkung für den VfB: Wie Mittelstädt zum Maxistädt wurde.

„So macht Hoeneß den VfB wieder sexy“: Ballorientiert hat die Gründe des VfB-Höhenflugs untersucht.

Zum Weiterhören:
Die SZ erklärt sich in ihrem Podcast „Und nun zum Sport“ den VfB-Erfolg neben dem enormen Einfluss von Sebastian Hoeneß auch mit der Mischung aus “Mislintat-Talenten gepaart mit Wohlgemnuth-Pragmatismus“.

Bilder: Thomas Kienzle & Neil Baynes via Getty Images

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9 Kommentare

  1. Konny sagt

    Eigentlich komisch, „man“ erwartet irgendwie, dass „wir“ die Bayern an die Wand spielen. Ich hab mal ein lockeres 1:4 für uns getippt.

    Wenn man Upsmecano, Kim und Kimmich zu Fehlern zwingt könnten sie in Bavaria erkennen, dass Nübel der bessere Neuer ist… und Hoeneß Junior der bessere Tuchel. Der Fluch der guten Tat ….

    Klasse war die neue Folge VfB in Team, da sah man, dass der Analyst auch einen Top Job macht. Beeindruckend!

    Heidenheim Wetter dürfte es Sonntag hoffentlich nicht haben, die Spieler werden top motiviert sein, ich denke schon, dass da was geht. Serhou 2 Tore Kane 0, dann wär da auch wieder Augenhöhe hergestellt 👀

  2. soundzecke sagt

    So nun lasst uns jetzt den Kataris eine mitgeben, ich brauche das für mein Seelenheil.
    Wo ich wohne bin ich halt der einzige VfBler und sonst bis auf 2-3 60er wirklich nur Bayernfans.
    Das ist echt schlimm.

  3. Kai Georg Hailer sagt

    Das einzige was den VfB Stuttgart am Sonntag stoppen kann, ist Joshua Kimmich’s ständiges beschweren und jammern beim Schiri.
    (Der Kimmich Reklamierarm)

  4. Achim Herzblutfan sagt

    Jungs, jetzt haltet doch mal den Ball flach.
    1:4,wenn ich das lese werde ich wütend.
    Wichtig ist : von der 1. Bis zur 97.Minute volle Aufmerksamkeit, spielen wie ein Team ( Alle für Einen, einer für Alle) taktisch klug und variabel, mit breiter Brust, aber nicht überheblich Spaß am Fußballspielen haben.
    Dann stellt sich das Ergebnis zwangsläufig ein. Ich bin zuversichtlich für unseren VfB. Schickt all eure positive Energie an unsere Jungs nach München. Sonntag 19:30

  5. Der Groundhopper sagt

    Leider hat der FC Bay€rn immer nur alle 4 – 6 Wochen mal so ein Zweite-Runde-Pokal-Spiel, in dem alles schief geht, in seinem Saisonverlauf. Dummerweise war es nun genau eine Woche zu früh so weit. Frankfurts Glück – unser Pech!

  6. Clemens sagt

    Hey, okay. Wenn’s der Kräfte Verschleiß gewesen ist, habe ich für die heutige Leistung Verständnis. Leider war bis auf wenige Minuten nach der frühen Bayern Führung nichts von dem zu sehen, was den VfB bislang stark gemacht hat. Keine Tempowechsel, kein aggressives Anlaufen, wenig Ballsicherheit und leider einige fatale individuelle Fehler (Nübel, Karazor). Millot, Führich, Undav und Guirassy haben leider (oder vielleicht Gott sei Dank) so gespielt, dass sich Scouts und Vereinsmanager Gedanken machen, ob es für absolute Top-Klubs bei den Genannten reicht. Millot war übrigens bei seiner Auswechslung mega-angepi …t. Kein Abklatschen mit Trainer oder anderen Kollegen.

    Aber hoffentlich kann man sich am Mittwoch gegen Augsburg noch einmal zu einem letzten Kraftakt vor der Winterpause aufraffen. Und selbst wenn dann nur ein Punkt dabei herausspringen sollte war es eine fantastische Hinrunde.

    • Hobbycamper sagt

      @Clemens
      Sehr guter Post, ich hoffe wir sind hier jetzt wieder etwas genordert. Bei einigen ging’s ja nur noch um die Höhe des Sieges wie wir die Bayern weghauen.
      Der VfB wie wir ihn in dieser Saison bislang erleben durften, hat gestern leider nicht stattgefunden. Man kann gegen Bayern verlieren, keine Frage, aber doch nicht so ! Für Bayern war das gestern ein Trainingsspielchen und ich habe 90 Min. meinen alten VfB gesehen den ich eigentlich nicht mehr sehen möchte. Da hat es an allem gefehlt.

      Ich hoffe ebenfalls auf eine entsprechende Reaktion am Mittwoch gegen Augsburg. Und noch eins: ich hoffe für alle Beteiligten auf eine baldige Entscheidung in der Kausa Guirassy, das Rumgeeiere “bleibt er” oder “geht er” ist kontraproduktiv, sowohl für seine Leistung als auch für die gesamte Mannschaft und den Verein.

  7. Konny sagt

    Ehrlich gesagt bin ich immer noch überzeugt, dass bei einem ähnlichen Auftritt wie gegen Leverkusen, es “nur” eine Frage: wie hoch gewinnen wir – gibt…

    Wir haben leider das schlechteste Spiel seit Wochen gemacht. Und Tuchel wohl sein taktisch Bestes.

    Das hat ja Dortmund schon versucht sich einfach nur hinten rein zu stellen und mit Kontern zu kommen. Bayern hats Besser gemacht, enttäuscht bin ich tatsächlich von unserm Trainer, dass er nach der Pause taktisch keine Lösung fand. Vielleicht wollte er seiner Verwandtschaft die Meisterschaft nicht wegnehmen. Unterbewusst hat das sicher auch blockierend gewirkt…

    Ich war von der Art und Weise schon enttäuscht muss ich sagen. Serhou regt mich auf, ständig lässt er sich in einen Spieler fallen und reklamiert. Bleibe dabei, die Doppelspitze tut unserem Spiel nicht gut. Gegen Augsburg holst Du so (auch) nix.

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