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How to develop a team (fast)

Spielplan, Spielglück, die richtigen Gegner zur richtigen Zeit. Alles gut und schön. Wollen wir nicht viel lieber über die Qualitäten des VfB sprechen, die zu diesen überraschenden Leistungen führen? Aber was sind die wahren Gründe, warum der VfB auf Platz 3 steht mit schier unglaublichen 24 Punkten nach elf Spieltagen?

Listen gehen immer sagt kessel.tv, deswegen:
Hier sind 11 Gründe, warum der VfB auf Platz 3 steht.

Der Außerirdische 
Serhou Guirassy, ja langweilig, weil offensichtlich.
Aber wie Spiele ohne ihn laufen können, davon haben wir einen Eindruck bekommen gegen Hoffenheim und Heidenheim. Der Torjäger war auch schon letzte Saison wichtig, in dieser jedoch „trifft er auch mit verbundenen Augen“ (Deniz Undav). Das Spiel ist um ihn herum gebaut und das lässt ihn glänzen. Seine Trefferquote ist nicht von dieser Welt, sein Wert als Führungsspieler enorm.

The Wall
We don’t need no Angst. Während viele aus alter Gewohnheit zusammenzucken, wenn ein Schuss in Richtung VfB-Kasten geht, dann sage ich immer „Wir spielen mit Torwart“. Erstmals seit zwei Jahren. Zuvor mussten wir zittern, wenn ein Ball in den Strafraum flog und mit allem rechnen. Und heute? Heute können wir unseren Blick bereits nach vorne richten und schauen, auf welchen Mitspieler Alex Nübel den Ball wohl wirft und damit das Spiel schnell macht. Ein riesiger Qualitätsunterschied und wir sehen, wieviel es ausmacht, wenn ein Torhüter Sicherheit und Zuverlässigkeit nicht nur ausstrahlt, sondern auch besitzt.

Mehr Breite im Kader
Der Deniz Undav der letzten Saison hieß Luca Pfeiffer. Damit ist schon fast alles gesagt, was die Verstärkung des Kaders angeht, oder? Fabian Wohlgemuth hat gekocht und die meisten seiner Transfers sind ihm gelungen, auch wenn beispielsweise Jamie Leweling und Maxi Mittelstädt nicht unbedingt etwas für Feinschmecker sind. Aber sie sind gute Kaderspieler und erhöhen die Möglichkeiten von Trainer Sebastian Hoeneß. Ebenso wie Anthony Rouault, den er jederzeit reinwerfen kann. Auch Jeong Woo-Yeong bringt neue Elemente ins Spiel und auch wenn er noch nicht den ganz großen Einfluss aufs VfB-Spiel hat: Er scheint stabiler zu sein als Tiago Tomas oder Tanguy Coulibaly, im Moment aber noch ohne deren Ausschläge nach oben.

Ein Fall für zwei
Als Wataru Endo den VfB im Sommer Richtung Liverpool verließ, brach es nicht nur mir das Herz. Aber es ging mir kurz danach auf, weil der für 5,5 Millionen von Hoffenheim verpflichtete Angelo Stiller ab seinem ersten Spiel so auftrat, als er ob er schon seit Jahren das Trikot mit dem Brustring trüge. Zusammen mit Atakan Karazor bildet er das unersetzliche Herzstück des VfB. Karazor, eher der Leader-Typ, organisiert, kommuniziert und stabilisiert, auch wenn ihm immer wieder Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Der ballsichere Neuzugang Stiller strukturiert das Spiel nach vorne, weiß immer, wo sich Räume ergeben und welche Aktion gefragt ist. Angelo ist einer, der mit wenigen Kontakten spielt und häufig die richtige Entscheidung trifft. Wenn nach vorne gespielt werden kann, spielt er nach vorne, nicht zur Seite, ist Hoeneß zufrieden mit dem 22-jährigen, den er von Bayern II und Hoffenheim kennt. Eigentlich ist Stiller mit seinen bisherigen Leistungen ein Kanditat für die Nationalelf. Allerdings stellt sich die Frage: Spielt er auch so gut, wenn der Trainer nicht Sebastian Hoeneß heißt?

Bamm-Bamm-Bamm
Sebastian Hoeneß hat eine Struktur in der gesamten Gruppe geschaffen, in der jeder weiß, was von ihm erwartet wird und was er zu tun hat. Jeder kennt seine Aufgabe. Er hat klare Abläufe etabliert, wie, wo und wann angegriffen und verteidigt wird. Das Spiel des VfB wirkt durchchoreografiert, auch wenn der Trainer genug Raum zur Improvisation gibt. Es sind die Spielprinzipien, die den VfB so stark machen. Weil sie Dreiecke bilden, weil sie wissen, wann sie lang gehen, wann kurz, wann in die Mitte ziehen und wann nach außen gehen. Wann sie drauf gehen, wann sie sich zurück ziehen.

Innenverteidigung als Spielmacher
Das Offensivspiel wird von hinten bestimmt. Mit kurzen Bällen in die Mittelfeldzentrale oder mit langen Bällen auf Außen (Hiroki Ito vor dem 1:1 gegen den BVB) oder mit Vertikalpässen direkt in die Spitze (Waldemar Anton auf Undav vor dem Elfmeter gegen Dortmund).

Sebastian Hoeneß: der Bessermacher
Die Verpflichtung von Sebastian Hoeneß erwies sich als Glücksgriff. Besonders beeindruckend ist seine Fähigkeit, die Spieler zu inspirieren und taktisch klug einzustellen. Und nicht nur das: Hoeneß macht alle Spieler besser. Enzo Millot: wie verwandelt. Chris Führich: plötzlich zielstrebig. Waldemar Anton: er ist gewachsen. Karazor: die Ruhe selbst. Diese Entwicklung ist besonders erstaunlich, da bisher die Spieler, sobald sie zum VfB kommen, traditionell schlechter werden.

Widerstandsfähigkeit
Neben der Leistungskonstanz eine der Erkenntnisse der Saisonanalyse. Auch in den letzten Jahren zeigte der VfB Spiele mit einer bemerkenswerten Resilienz. Das war aber stets ein Kraftakt, der sich nicht immer wiederholen ließ, weil er an die Substanz ging. Jetzt reagiert die Mannschaft auf Rückschläge im Spiel viel ruhiger. Weil sie sich auf ihre Prinzipien verlassen kann. Sie wird dabei nicht hektisch und dadurch fehleranfällig, sondern weiss, welche Fähigkeiten sie besitzt und wie sie sie einsetzt.

Vertrauen und Selbstvertrauen
Im Moment spielt der VfB wie eine Mannschaft, deren Spieler davon profitieren, dass sich alle ausdrücklich als Teil dieser Mannschaft fühlen – und nicht als Talentprojekte, auf deren Wiederverkaufswert der Klub spekuliert“, umschreibt die Süddeutsche Zeitung die derzeitige Situation, die der kicker etwas unbeholfen und oberflächlich „der Umgang ist anders“ nennt. Die Gruppe scheint von den Typen her homogen zusammen gestellt, die Stimmung stimmt, ebenso Zusammenhalt und Identifikation. Aber Vorsicht: Das ist eine Momentaufnahme und kann sich bei schlechteren Ergebnissen durchaus ändern.

Fitness
Wer Lauftrainings morgens um 7.30 Uhr ansetzt, bekommt die Mannschaft nicht hinter sich. Aber Bruno Labbadia hat sie damit immerhin fit gemacht. Mein innerer kicker sagt mir: Ohne Labbadia wäre das Team nicht so fit, ohne Fitness stünde es nicht so weit oben. Der Ex-Trainer, der den VfB von Dezember 2022 bis April 2023 mit seinen starrköpfigen Maßnahmen beinahe in den Abstieg gecoacht hätte, ist also auch einer der Gründe für den Erfolg.

Der Support
Die Stimmung unter den VfB-Fans ist besser als die Polizei erlaubt. Kein Wunder: Die letzten Jahre waren ein echter Härtetest – vor allem für Auswärtsfahrer, die ein ganzes Kalenderjahr ohne Sieg durch die Rebublik tingelten. Jetzt zahlt das Team mit Erfolg zurück und der VfB könnte vermutlich 100.000 Tickets für seine Heimspiele verkaufen. Selbst für das Spiel gegen Augsburg am Mittwoch Abend um 20:30 wird es keinen freien Verkauf geben.

Innerhalb von sieben Monaten von Platz 18 auf Rang 3: Nicht mit Glück, sondern mit System. Wohlgemuth und Hoeneß halten sich bedeckt, wiegeln ab, bleiben ernst, fokussiert, schweigen und genießen. „Na, außer natürlich Netflix ruft an und sagt, sie wollen eine Serie über den Weg des VfB machen.“ Die Verantwortlichen sind sicher gut beraten schon jetzt an die zweite Staffel zu denken, in der dann womöglich einige Hauptrollen neu besetzt werden müssen.

Zum Weiterlesen:
Stuttgart.International würdigt ausführlich den Anteil von Sebastian Hoeneß am Stuttgarter Höhenflug und vermutet neben vielen taktischen Maßnahmen: “Vielleicht kommt gerade seine Klarheit und Nüchternheit bei der Mannschaft an.“ Rey hält die Verbindung von Hoeneß und dem VfB derzeit für ein perfect match: “Man könnte sagen, der VfB und Hoeneß passen perfekt zusammen, weil der eine hat, was dem anderen fehlte“, denn: “Hoeneß entwickelt die Mannschaft, macht einzelne Spieler besser und pflegt den engen Austausch mit der Nachwuchsabteilung aus voller Überzeugung.“

Bilder: Mark-Robert Ferenczi, inspiriert von „How to sell drugs online (fast)“

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7 Comments

  1. Marcus Fichter says

    Wie oft haben wir in den letzten Jahren von allen ( sogenannten Experten, Spielern, Trainern usw. ) gehört und gelesen, das der VfB in der Mannschaft mehr Qualität hat, als um gerade so dem Abstieg zu entgehen ?

    Viele haben es gesehen aber nur S. Hoeneß hat es geschafft, diese Qualität zu heben und auf den Platz zu bringen. Es sind ja doch ein paar Spieler dabei, die schon länger da sind und von denen man nicht unbedingt noch von größeren Leistungssprüngen erwarten konnte.

    S. Hoeneß ist für mich der Hauptgrund des Höhenflugs. Er hat es geschafft der Truppe entsprechende Spielsysteme einzuimpfen, die je nach Bedarf eingesetzt werden. Er hat es geschafft, das Spiel rund um Guirassy so zu strukturieren, daß dieser max. effektiv sein kann, aber auch D. Undav als Ersatz oder Ergänzung immer auch scoren kann.

    Zuallerletzt möchte ich darauf eingehen, wovon ich maximalst überzeugt bin, was ihr auch erwähnt habt, ein stabiler und guter Torhüter macht eine Defensive einfach viel besser. A. Nübel tut auch allen Abwehrspielern gut, weil sie sich auf ihren Job konzentrieren können und nicht bzw. weniger danach schauen müssen, wie sie die Unsicherheit eines Müller oder Bredlow noch ausbügeln müssen.
    Für mich ist das der Königstransfer und F. Wohlgemuth sollte unbedingt versuchen A. Nübel fest zu verpflichten. Schade für D. Seimen, aber wenn er das Niveau von Nübel nicht erreicht, dann muß er es woanders versuchen.

  2. Hobbycamper says

    Sehr gute Analyse Andreas, da kann ich sehr vieles unterschreiben ! Auf ein paar Punkte möchte ich noch eingehen:

    Der Außerirdische
    Dazu muss man nicht mehr viel sagen und schreiben, mein Wunsch, vielleicht gelingt es den Verantwortlichen Serhou wenigstens bis zum Sommer zu halten.

    The Wall
    Seit Jahren endlich wieder mal ein Top-Torhüter im VfB-Kasten. Selbst ein Gregor Kobel war zu seiner VfB-Zeit nicht so beständig und eine Wall (m.E. hat er beim BVB nochmals einen Riesenschritt nach vorne gemacht). Wenn ich noch dran denke dass uns das Diamantenauge den Müller für 5 Mio. geholt hat, dann wird’s mir heute noch schlecht…
    Ich gebe Marcus Fichter insofern recht dass man versuchen sollte mit Alex Nübel über die Saison hinaus weiter zu machen. Ein Dennis Seimen ist noch “jung genug”, dass er nicht um seine Karriere fürchten müsste wenn er noch ein weiteres Jährchen hinten dran wäre.

    SH – der Bessermacher
    Der richtige Trainer, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ! Man sieht seine Handschrift und endlich werden VfB-Spieler wieder besser gemacht und nicht schlechter. Ich hoffe dieser Flow hält noch sehr lange an.

    Vertrauen und Selbstvertrauen
    “…und nicht als Talentprojekte, auf deren Wiederverkaufswert der Klub spekuliert…” ! Genau das hatte ich in der Vergangenheit hier mehrfach angeprangert, ist der VfB ein Wirtschaftsunternehmen, auf Gewinne ausgerichtet oder ist er immer noch ein Sportverein, der in der Fussballbundesliga erfolgreich sein will ? Aber genau das war doch die DNA von Sven Mislintat, “vielversprechende” Talent für kleines Geld kaufen und sie mittelfristig für großes Geld verkaufen. Somit ist der VfB nicht mehr als eine Durchgangsstation für kommende Jungprofis.
    Gerade das Beispiel mit Angelo Stiller zeigt deutlich, dass um eine gewisse Qualität und Stabilität in die Mannschaft zu bringen, es wichtig und richtig ist auf Spieler mit schon einer gewissen Erfahrung (und das bei einem 22-jährigen !) zu setzen. Stiller ist ein Spieler, der bereits bei der Konkurrenz schon gezeigt hat zu was er fähig ist

  3. Elmar says

    DANKE VP, dass Ihr den Bruno erwähnt, ohne die Grundtugend Fitness wären wir letzte Saison abgestiegen, hat uns am Ende mit geholfen !

    • Bernd says

      Das wurde aber durch einen katastrophalen Punkteschnitt erkauft, der uns erst an den Rand des Abgrunds gebracht hat. Ich wage außerdem arg zu bezweifeln, dass der aktuelle Fitnessstand des Teams noch irgendwas damit zu tun hat, wie vor 8 Monaten trainiert wurde. Anhand der aktuellen Zahlen zur Laufleistung sieht man, dass Hoeneß auch Fitness kann (und eben noch ein paar Dinge mehr), weswegen das kein valider Grund war, ihm nicht schon im Herbst letzten Jahres den Trainerposten zu geben.

  4. Konny says

    Hoeneß wird nie müde den Teamspirit zu loben. Da waren ja einige hier nicht sehr begeistert, als man das bei Mislintat bemängelte, dass (zu) viele Ich AG‘s auf dem Feld standen. Aus meiner Sicht nahmen sich da ein paar zu wichtig. Jetzt hat man nicht mal bei Serhou das Gefühl, dass er sich extrem wichtig nimmt. Auch das hat der Trainer überragend gemacht jedem das Gefühl zu geben „gleich wichtig“ zu sein. Bei Nübel hab ich nie Starallüren gesehen, ein super sympathischer Kerl, der endlich mal den Applaus bekommt, den er sich verdient. Ich wünschte mir auch, dass er noch bei uns bleibt. Wenn Neuer fit bleibt hätte Bayern keinen Nachteil bei einem weiteren Jahr bei uns.

    Bei Serhou hoffe ich, dass er sich die (negativ) Beispiele anschaut. Selbst Lewandowski ist nicht mehr exakt so der von Bayern. Modeste / Haller Dortmund… hier ist alles auf ihn ausgerichtet, bei allen Höhenflügen und top Angeboten bitte nicht vergessen !

    Wir haben uns seit Jahren einen Trainer gewünscht, bei dem es passt. Hoffen wir noch sehr lange… ich mag seine Art extrem gern. Vor allem haben wir nun endlich einen Trainer, der auch im Spiel Systeme verändern und sich an Spielsituationen anpassen kann.

    Es darf gerne so positiv weiter gehen ‼️❤️

  5. Tommy Tomate says

    …für mich ist es am schönsten zu sehen, dass die Mannschaft bei Ballbesitz einen Plan hat, was zu tun ist. Es war mir in der Vergangenheit immer unerträglich dabei zuzuschauen, wie dies nicht der Fall war. Insofern eine supergute Basis für die Zukunft. Einzelne Spieler mögen aus wirtschaftlichen Gründen verkauft müssen. Aber wenn ein Plan vorhanden ist, werden dafür andere hineinwachsen. Hat ja auch diese Saison schon funktioniert.

  6. soundzecke says

    Weiß man jetzt eigentlich definitiv wer Hoeneß als Trainer beim VfB vorgeschlagen hat?
    Ich habe noch nichts definitives gehört, auf Nachfragen kommt wieder mal nur Rumgeeire der Verantwortlichen.

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