Dass Bernd Wahler in der Winterpause irgendeinen Akzent setzen muss, ist klar: Entweder er zieht einen großen Sponsor an Land, der gerne und sofort in den VfB investieren möchte, ohne jedoch mitschwätzen zu wollen. Oder er macht Fan-Liebling Karl Allgöwer zum Vorstandsmitglied und stellt ihm einen erfahrenen Manager mit gutem Netzwerk zur Seite. Oder er fordert für Paderborn Punktabzug, weil die mit umlauteren Mitteln (Begeisterung, Engagement, Fleiß, Mut) arbeiten. Oder er verpflichtet kurzerhand Sami Khedira, der ist ja sowieso recht häufig im Ländle wegen seinem “Spiel des Jahres”.
Gehts auch ne Nummer kleiner? Logisch.
Denn in Moskau hat einer richtig viel Geld verdient und will Heim. Wahler hatte vor der Saison öffentlich laut gedacht und Fredi Bobic glaubte, er hört nicht richtig, als er von der geplanten Rückholaktion von Kevin Kuranyi aus der Zeitung erfuhr. Auch nachdem der renitente Bobic entfernt wurde, raten Wahler alle von einem Transfer ab, aber letzlich ist der VfB nichts anderes als ein mittelständisches Unternehmen. Da gibt es auch jede Menge Mitarbeiter, die ihren Job machen, die ihren Chef beraten und führen. Aber am Ende macht der Chef doch das, was seine Frau sagt. Und Wahlers Frau Petra hat ein Auge auf Kuranyi geworfen. Wahler lacht gerne und ist als Komiker ein echtes Naturtalent, aber jetzt macht der Präsident ernst und holt den Ex-Stuttgarter im Winter zurück. Kuranyi hat vorsichtshalber schon einmal seinen Mietern in seiner Sonnenberger Immobilie wegen Eigenbedarf gekündigt.
Der VfB hat keine guten Erfahrungen mit der Ex gemacht: Diese Saison erst hat Meistertrainer Armin Veh entnervt das Handtuch geworfen, davor managte der Ex-Torjäger Fredi Bobic den Verein durch gefühlte fünf Übergangsjahre und 20 Krisen, bevor Präsident Bernd Wahler im September die Reißleine zog. Alexander Hlebs Ausleihe von Barcelona in der Saison 2009/2010 lief äußerst unglücklich und verschlang Millionen. Zurückgekehrt sind auch die Eigengewächse Gerhard Poschner und Christian Gentner. Geliebt wurden sie bei ihrem zweiten Engagement nie, im Gegenteil: Sie mussten sich eine distanzierte Zuneigung der Fans hart erarbeiten. Kuranyi würde es nicht anders gehen. Trotzdem gibt es fünf gute Gründe, warum ein Transfer zum VfB Sinn macht:
Kuranyi hilft der Mannschaft weiter
Er gilt als bodenständiger Typ, er kann gut mit Nachwuchsspielern und er läßt sich auf dem Platz nie hängen. Defizite im Umgang mit dem Ball macht er wett mit Einsatz. Kuranyi wäre eine Art Mini-Raul, der schon vieles gesehen hat und mit seiner (Lebens-)Erfahrung einer der vielgesuchten Führungsspieler sein könnte.
Kuranyi hilft dabei, den großen Umbruch zu schaffen
Mit Vedad Ibisevic, Martin Harnik, Timo Werner, Mo Abdellauoe, Daniel Ginczek hat der VfB oberflächlich betrachtet nicht gerade ein Problem im Sturm. Aber Ibisevic hat sich im letzten Jahr wenig Freunde gemacht, gleichzeitig sucht Wolfsburg nach einem zuverlässigen Knipser. Das scheint eine Win-Win-Situation zu sein. Abdellauoe will spielen und das kann er in Hannover, Paderborn oder in Norwegen. Harnik hat immer wieder mal gute Phasen, aber auf ein gutes Spiel kommen bei ihm fünf schlechte. Dass er trotzdem Führungsansprüche hat, macht ihn in der Mannschaft nicht glaubwürdig.
Kuranyi und Werner, Erfahrung und Zukunft, Cleverness und Schnelligkeit, das könnte eine gute Kombination sein. Gleichzeitig könnte Kuranyi der Faktor sein, um die festgefahrene Hierarchie in der Mannschaft zu durchbrechen.
Kuranyi hilft dem Verein, die Stimmung zu drehen
Der ehemalige Nationalstürmer ist ein Symbol für die guten alten Zeiten, für die Geburt der Jungen Wilden. Obwohl Kuranyi damit für die Vergangenheit steht, wäre er ein Signal für die Zukunft. Es könnte ein kleines Zeichen für ein Konzept sein: Der VfB steht für junge, hoffnungsvolle Talente, denen Fehler zugestanden werden und die von international erfahrenen Kräften geführt, diszipliniert und inspiriert werden. Da Kuranyi unbedingt hoim will, könnten ihm die Fans eine hohe Identifikation mit dem VfB abnehmen, trotz seiner Auslandsaufenthalte bei Schalke und in Moskau.
Kuranyi bringt den Einzelhandel in Schwung
Er wäre der Pizarro von Stuttgart. Ein charmanter Lausbub, denn Kuranyi schaut auch mal im Perkins Park vorbei, geht gerne shoppen, er könnte Botschafter für die neuen Einkaufszentren Milfaneo und Gerber werden. Zusammen mit Winni aus dem abseits würde er Laufsteg-Veranstaltungen im Mercedes-Museum organisieren und wäre das neue Gesicht einer Mercedes-Kampagne. Der Stern sucht ja sowieso nach neuen Ideen, nachdem ihm JvM und BBDO nicht gut genug sind. Kuranyi und ein roter CLS, das scheint mir eine geradezu perfekte Kombination zu sein.
Kuranyi hilft der Stadt weiter
Weniger Verbissenheit und mehr Leichtigkeit würde allen gut tun, das Image der Stadt ist geprägt von Kehrwoche, S21-Demos und Bruddlerei. Da kann sich kessel.tv noch so bemühen, Stuttgart wirkt von außen behäbig und bürgerlich. Kuranyi würde mit seiner Frau Victorija den Star-Faktor erhöhen, überall sprängen Kamerteams rum von red!, Promi Dinner und Constanze Rick. Zusammen mit ihren Kindern Karlo und Vivien wären sie nicht gerade die Beckhams, aber ein bisschen glamouröser als Christian Gentner mit Frau und Hunden.
“Zuallererst setze ich mich im Winter mit meinem Verein Dynamo Moskau zusammen”, sagt Kuranyi im Diplomatensprech und meint aber eher, dass er in diesem Gespräch klären möchte, ob er seinen Vertrag bis 2015 noch erfüllt oder ob ein Wechsel im Winter in Frage käme. Und im Hintergrund winkt Petra Wahler.
Und was sagt Kraftwerk zu Kuranyi?
Du bist mir nah und doch so fern
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