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Mein Herz klopft, meine Nase tropft

Der VfB kassiert wie in den letzten beiden Heimspielen gegen Gladbach und Augsburg seine obligatorischen zwei Gegentore. Ohne jedoch mit drei eigenen Treffern zu reagieren. Ich habe sieben hochkarätige Torchancen gezählt. Ohne die zu verwerten, kann der VfB selbst gegen ein mediokres Borussia Dortmund nicht punkten. Der VfB von hinten wie von vorn mit zu vielen Fehlern.

Kein Singing in the Rain, ein mieser Freitag-Abend mit dicken Tränen vom Himmel nach Spielende, plitsch-platsch fiel der Regen wie die Sintflut. Es ist ein merkwürdiges Spiel: Flutlicht, volles Haus, alle voller Vorfreude und trotzdem will der Funke nicht überspringen. Die Mannschaft bietet trotz vieler Großchancen den Fans wenig an, von den Rängen kommt nicht die Energie, die das Neckarstadion in den letzten beiden Spielen ausgezeichnet hat. Auch ich kam nicht so richtig rein ins Spiel, zugegeben war ich durch das Chaos rund ums Stadion auch erst nach 20 Minuten auf dem Platz. Meine Kleidung ganz durchnässt, sie klebte an mir fest.

Der VfB spielt nicht wie ein Absteiger. Dortmund nicht wie ein Tabellenzweiter. Die beiden Tore schenkt der VfB allerdings her: Beim 0:1 rennen sich Dinos Mavropanos und Atakan Karazor gegenseitig über den Haufen und Borna Sosa läuft erneut am zweiten Pfosten nicht durch, vor dem 0:2 rutscht Pascal Stenzel weg. Und ja, das zweite Tor von Julian Brandt scheint nicht unhaltbar gewesen zu sein. Gregor Kobel auf der anderen Seite gegen Spielende mit einer Show-Parade gegen Sosas Schlenzer. Ja, Kobel kann Show, er ist aber auch besser als Müller, das müssen wir nicht ständig diskutieren, das wissen wir eigentlich seit Saisonbeginn. Müller hält keine Unhaltbaren, aber er hat auch keine Böcke drin wie einst Pommes Tyton und Pannen-Oli Reck.

Wir sollten weniger Spieler in den Fokus stellen. Auch nicht Omar Marmoush, der zum Held des Spiels hätte werden können. In der 23. Minute schon taucht er nach Traumpass von Orel Mangala glockenfrei vor BVB-Keeper Kobel auf – chippt den Ball über den Ex-Stuttgarter, aber auch übers Tor. Der Mainzer Karim Onisiwo, nicht gerade ein Torjäger, hat aus fast identischer Situation den Ball gegen Köln locker eingenetzt.

Nach Wiederbeginn schließt Marmoush überhastet ab, er hat im Moment vor dem Tor nicht gerade einen Lauf. Der ganze VfB nicht. Insbesondere die Schlussphase hat es in sich: Stenzels Schuss küsst die Latte, Mavropanos köpft freistehend neben das Tor, Roberto Massimo muss eigentlich nur noch einköpfen, kurz vor Schluss traf Sosa nach einer brillianten Pirouette nur die Latte. Immer wenn es regnet werde ich in Zukunft daran denken, die herausgespielten Chancen können nicht davon ablenken, dass der VfB die Chancenverwertung eines Absteigers hat. Die vorderste Reihe besitzt nicht die notwendige Qualität, Form, Ruhe und Konsequenz, um Tore zu schießen – ausser Sasa Kalajdzic vielleicht, den ich gegen Dortmund sehr vermisste. Gleichwohl man sagen muss: Die Offensive steht immer unter Druck, denn sie muss die Fehler in der Abwehr auffangen.

Der Ehrgeiz von Dinos Mavropanos und Hiroki Ito ist bei allem im Stadion zu spüren, den Ausnahmespieler Erling Haaland aus dem Spiel zu nehmen. Beiden gelingen einige Boss-Moves gegen Dortmunds Star, einmal läßt Ito den Norweger regelrecht an sich zerschellen. Trotz der individueller Zweikampfstärke der beiden Innenverteidiger stimmen aber oft die Abstände und die Abstimmung in der letzten Reihe nicht. Dortmund hat gerade in Umschaltmomenten viele Räume, kann sich bequem durchkombinieren, macht aber zu wenig aus seinen Möglichkeiten. Ich hatte den Eindruck, Marco Reus oder Thorgen Hazard wollen gar kein Tor schießen. Lieber nochmal abspielen, lieber keinen Fehler machen, keiner will derjenige sein, der die Chance vergibt. Da ist Marmoush anders, er sucht den Abschluss und das ist auch gut so. Der Borussia reicht damit eine Leistung, die weit unter ihren Möglichkeiten ist, um drei Punkte aus Stuttgart mitzunehmen.

Ärgerlich, aber gegen Dortmund verlieren, keine große Sache. Denn überraschende Siege, Bonuspunkte gegen einen vermeintlich großen Gegner, sie gehören nicht gerade zur Trademark des VfB der letzten Jahre. Augsburg und Bielefeld gelang das in dieser Saison das eine oder andere Mal. Das Dortmund-Spiel ging in die Hose, doch keine Katastrophe, es hat sich im Tabellenkeller für den VfB nichts geändert: Die letzten fünf Mannschaften verloren allesamt, Hertha das Derby gegen Union sogar so, dass sich der Big City Club davon nicht erholen könnte. Gegen Bielefeld scheint sich im Moment alles verschworen zu haben.

Also noch alles drin, denke ich nach Spielschluss. Mein Herz klopft noch immer, weil ich mich über die vergebenen Chancen aufgeregt habe. Und über die Dortmunder, eine Champions League-Mannschaft, die wirklich auf Zeit gespielt haben wie Darmstadt oder Fürth, um einen Sieg über die Zeit zu retten, irgendwie unwürdig. Meine Nase tropft, vom Himmel goss ein Bach, schätze ich, und es muss schon sehr gut laufen, wenn der VfB in der Abschlusstabelle auf Platz 15 steht. Mainz ist Vierter der Heimtabelle und eklig und fies, auswärts unangenehm zu bespielen, bei der Hertha geht es ebenso um alles, Wolfsburg ist nicht gerade unser Lieblingsgegner. Der VfB ist dennoch gut genug, um die Klasse zu halten. Kapitän Wataru Endo macht gegen Dortmund eines seiner stärksten Spiele in dieser Saison, wir brauchen den besten Endo und am besten noch ein paar mehr von ihm in den letzten fünf Spielen. Das Team scheint sich im System wohl zu fühlen, sie reden viel auf dem Platz, motivieren, korrigieren und organisieren sich ständig. Fehlen nur vorne mehr Konsequenz und Konzentration und hinten wäre mal eine Null ganz schön.

Zum Weiterlesen:
Der VfB hat sich erneut organisatorisch nicht mit Ruhm bekleckert. Ein Erfahrungsbericht zu den chaotischen Verhältnissen rund ums Stadion. Ein Gastbeitrag von @Heikx

Unser vertikalGIF „Schwabenland unter“

Stuttgart.International vermisst den Mut und fragt sich, was möglich gewesen wäre, hätte der VfB nicht nur in den letzten zehn Minuten das Dortmunder Tor bedrängt.

Foto:
Thomas Kienzle/AFP (Getty Images)

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10 Kommentare

  1. fritzo62 sagt

    Ich habe nur die 2.HZ in der Sportschau App gehört, und das war gruselig. Würdet Ihr was ändern an der Mannschaft, mal Bredlow bringen? Wie hat sich Thommy geschlagen? Warum bekommt Coulibaly nix mehr auf die Reihe?

    • @abiszet sagt

      Ich würde nichts ändern, vor allem den Torhüter nicht wechseln. Thommy ordentlich, aber kein Faktor. Wirklich gut fand ich Massimo (obwohl ich nach seiner Einwechslung gehen wollte), er muss eben den Kopfball machen, den macht jeder ordentliche Buli-Spieler mit halbwegs Selbstvertrauen. Coulibaly scheint am Ende seiner Entwicklung zu sein …

  2. Bernd sagt

    Massimo ist ein ordentlicher Kicker, kann aber nervlich nicht damit umgehen wenn es um was geht. War schon zu Zweitligazeiten sein größtes Problem, dass er jetzt in einem bei seiner Einwechslung eigentlich schon entschiedenen Spiel einen guten Eindruck hinterlässt, passt da ins Bild.

  3. Clemens sagt

    Der VfB macht einem Sorgen, wie ein kleines Kind, das Fahrradfahren lernt. Es steigt immer wieder beherzt auf, nur um beim ersten Hindernis wieder herunterzufallen. Man möchte es in den Arm nehmen und ihm Mut machen. Die anderen ABC-Fahrradanfänger aus Bielefeld haben bereits blaue Flecken (das soll um Gottes Willen nicht despektierlich klingen – aufrichtig gute Besserung an Klos und Brunner), die Hertha-Kinder spüren den Liebesentzug der eigenen Fans-Base, was denen allerdings egal ist, da sich die meisten sowieso zur Adoption freigeben lassen möchten. Die direkte Konkurrenz scheint es derzeit also noch viel ärger zu treffen (bis auf Augsburg, die fahren gerade freihändig auf ihrem fetten Bonanza-Rad in den Sonnenuntergang).

    Kurz, wir sollten weiterhin darauf vertrauen, dass irgendwann auch diese Torlos-Serie reißt und der VfB Stuttgart sich für sein aufopferungsvolles Aufbäumen demnächst mal wieder belohnt. Und um im Kontext zu bleiben “absteigen” ist keine gewünschte Option!

  4. Konrad sagt

    Vor dem Fernseher ist der Funke leider auch nicht übergesprungen. Es war so eines der VfB Spiele bei denen Du vor dem Fernseher das Gefühl hast, dass Leidenschaft und der absolute Wille fehlt. Dieses unbedingte gewinnen Wollen. Jenes konnte man der Mannschaft in einigen Spielen davor nicht absprechen. Diesmal machst Du den Fernseher aus und willst die Interviews danach und eigentlich gar nicht mehr sehen.

    Ich würde nicht Bredlow bringen ehrlich gesagt. Auch würde ich an der Struktur für den Moment nichts ändern. Hoffen wir, dass Sasa beim nächsten Spiel wieder fit ist. Der zweite Anzug erhöht die Qualität nicht, bei Tongy ist halt gefühlt überwiegend der Ball weg.
    Das Thommy ohne Spielpraxis nicht wirklich was bewegen kann…

    Endo war seit langem wirklich sensationell gut, diesen Endo haben wir länger vermisst.

    Im Prinzip kann man nur hoffen, dass Bielefeld und Hertha es schlechter machen als wir.
    Ich hab gestern Mainz geschaut, da kommt mehr Qualität auf uns zu gerauscht als die Dortmunder B 11 das Freitag angeboten hat. Mainz wird richtig schwer. Die haben gefühlt alles. Schnelligkeit, Kampf, Einsatz, Biss… ich hoffe, dass wir den Biss wieder finden.

  5. Ronny sagt

    Mein Fazit:

    Angst Essen Seele auf, so kann man das Spiel wohl zusammenfassen. Eigentlich hatte ich erwartet, dass wir dem Gegner von Anfang an auf den Füßen stehen, aber stattdessen haben wir denen das halbe Feld überlassen, und die Dortmunder haben Tiki-Taka gezeigt wie zu besten Barca-Zeiten. Wenn das die Taktik von Rino gewesen sein sollte, dann kann man nur Sagen, kräftig vercoacht. Eine gewisse Bereitschaft zum Risiko muss man gegen so eine Mannschaft eingehen, um erfolgreich zu sein. Wir haben den BvB in eine Wohlfühloase eingeladen und viel zu zögerlich agiert. Nach dem 0 – 2 hat man gesehen was möglich gewesen wäre, aber dieses Mal hat es nicht gereicht, dass Ding noch umzubiegen ! In meinen Augen war Dortmund schlagbar, wenn man betrachtet wie viele Großchancen sie zugelassen haben.

    • @abiszet sagt

      Aber interessant, dass Dortmund trotzdem schlagbar war, obwohl sich Matarazzo vercoacht haben soll.

      • Ronny sagt

        Sogar sehr interessant, meine subjektive Darstellung muss allerdings nicht zu 100 % stimmen !

  6. Roger Pohl sagt

    Also jetzt muss ich mich ja mal wundern,Massimo besser als Thommy im Spiel,Thommy war an allen Torchancen in der Schlussphase beteiligt,das hat auch der DAZN Kommentator so gesehen,für mich wäre Thommy immer ein Einwechselfaktor,das haben auch alle neben mir so gesehen unter anderem ein BVB Fan,habe das Spiel im Stadion gesehen und eine komplette Aufnahme vom Spiel auf DAZN,Thommy ist für mich definitiv besser als Coulibaly,Massimo,Klimowicz und Förster und das kritisiere ich an Materazzo,das er das anscheinend nicht sieht,wer weiss vielleicht bleiben wir drin,wegen einer entscheidenden Aktion von Thommy und das hätte er verdient,weil er auch eine Top Einstellung hat und eine ganz andere Körpersprache als die oben genannten!!

  7. Konrad sagt

    Mir geht es tatsächlich so, dass ich geglaubt / erwartet habe, dass wir Dortmund sofort unter Druck setzen und volles Kanonenrohr mit einer gewissen Zweikampfhärte loslegen.

    Als dann so viele Dortmunder Stammkräfte ausfielen, hätte ich gedacht, dass wir mit allem was wir haben draufgehen. Es war aber aus meiner (gefühlten) Wahrnehmung der Biss und Wille, den ich nicht fühlen konnte. Wenn man gestern Köln gesehen hat, wie die das 3:2 wollten, dann liegen da Welten dazwischen. Sogar Augsburg strahlt was anderes aus… da verstehe ich nicht, wieso das in der Pause nicht verändert & gepusht werden kann. So gesehen kann ich die Kritik am Trainer schon nachvollziehen.

    Stimmt das hat der DAZN Mann gesagt, dass durch den Wechsel von Thommy mehr Druck da ist. Ich persönlich finde es auch schade, dass er verletzt war und offensichtlich nicht Rinos Liebling ist.

    Bei den nächsten Spielen ist eine andere körperbetontere Herangehensweise mit anderer Ausstrahlung gefragt.

    Anton sagte im Pauseninterview, dass seine Kollegen es gut machen und er gespannt auf die 2. Hälfte ist. Da dachte ich schon, dass ich wieder mal ein anderes Spiel gesehen hab…

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