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Mislinmuthige Transfers?

Was Sebastian Hoeneß von seiner Mannschaft verlangt, zeigt Fabian Wohlgemuth bei seiner Kaderplanung: Mut. Nachdem Anthony Rouault den VfB in Richtung Stade Rennes verlässt, holt der Sport-Vorstand in Finn Jeltsch (18) und Luca Jaquez (21) gleich zwei junge Innenverteidiger mit enormem Potential. An wen erinnert uns das? An Sven Mislintat.

Dem ehemaligen VfB-Sport-Direktor und (Noch-)Technischem Direktor von Borussia Dortmund wurde oft vorgeworfen, er würde zu oft riskante Wetten abschließen. Wetten darauf, dass sich Spieler wie Enzo Millot, Naouirou Ahamada, Clinton Mola, Mo Sankoh, Wahid Faghir, Mo Cissé, Mateo Klimowicz oder Tanguy Coulibaly beim VfB kontinuierlich verbessern, zu gestandenen Spielern werden und dann hohe Ablösesummen bringen. Alles natürlich verbunden mit dem Risiko, dass sich sehr junge Spieler nicht so entwickeln wie gewünscht. Und dass die sehr jungen Spieler doch nicht sehr gut sind.

Wobei Jeltsch und Jaquez keine Jugendspieler mehr sind und über Profi-Erfahrung verfügen. Sie sind eher mit Can Unzun (19) zu vergleichen. Der wechselte vor der Saison von Nürnberg nach Frankfurt. Er kostete über 10 Millionen und wird nach einem halben Jahr immer mehr ein Faktor bei der Eintracht. Von Jeltsch heißt es, er sei ein unglaubliches Talent. Bei Jaquez sind sich alle einig, dass er brutal schnell sei – im Kopf und in den Beinen und er hätte das Herz am richtigen Fleck.

In Nürnberg schwärmen sie vom U17-Welt- und Europameister Jeltsch:
Mit 17 debütierte er in der zweiten Liga, er absolvierte bis heute 31 Zweitliga-Spiele. Alle sind sich sicher, dass er eine große Karriere machen wird. In Luzern sind sie stolz, dass ihr Eigengewächs Jaquez in die Bundesliga wechselt. Er wird als bodenständig, fleißig und lernwillig beschrieben. „Wir trauen ihm zu, dass er uns sofort helfen kann“, sagt Wohlgemuth über den 1,87 Meter langen Schweizer. Auch bei Jeltsch ist die Erwartung da, in der Rückrunde ein Faktor zu sein.

Beide brauchen natürlich Zeit und Eingewöhnung und deshalb hätten viele lieber eine Soforthilfe gehabt: einen gestandenen Bundesligaspieler à la Marvin Friedrich, einen “fertigen Spieler“ wie Danilho Doeki. Diese Forderungen kommen ebenso zuverlässig wie die Dystopie, dass der VfB untergehen würde nach drei Niederlagen in Folge. Schwieriges Umfeld eben. Genauso die Skepsis, dass man auf die eigenen Talente nichts geben würde. Was passiert jetzt mit Anrie Chase? Warum wechselt das junge VfB-Innenverteidiger-Talent Elijah Scott zum Serie A-Club US Lecce? Und hat der VfB nicht mit Max Herwerth schon einen U17-Weltmeister?

So wie Mislintat angeblich nur auf französische Talente setzte, wurde Wohlgemuth lange ein Faible für deutsche Spieler nachgesagt, die ihren großen Durchbruch noch nicht geschafft haben, aber eine gewisse Leistungskonstanz anbieten: Maxi Mittelstädt, Jamie Leweling, Yannik Keitel, Nick Woltemade. Jakob Bruun Larsen gehört ebenfalls dazu, auch wenn er Däne ist. Aber natürlich stimmt das nicht: Leonidas Stergiou und Ramon Hendriks sind Entwicklungsprojekte. Auch Jovan Milosevic zählt dazu, selbst Anthony Rouault, der jetzt für 15 Millionen zurück in seine Heimat wechselt.

Im Moment sind die beiden Transfers natürlich ein Risiko.
Die Vizemeister-Defensive ist mit der Verletzung von Daxo und dem Abgang von Antony Rouault endgültig Geschichte. Mit Jeff Chabot steht nur ein erfahrener Innenverteidiger zur Verfügung, daneben Chase und/oder Hendriks, die beide zuletzt nicht den stabilsten Eindruck hinterließen. Ameen Al-Dakhil ist mindestens die nächsten zwei Wochen verletzt – also während der entscheidenden Spiele gegen Augsburg, Dortmund und Wolfsburg.  Mit den beiden Neuverpflichtungen bietet der VfB in Zukunft einen Kinderriegel in der Abwehr auf.  Individuelle Fehler müssen bei den Kids eingepreist werden – und das, bei einer Abwehr, die in der gesamten Saison schon alles andere als ein Bollwerk war. Jeltsch und Jaquez sind beide überdies noch nicht vertraut mit den Prinzipien des Trainers. Aber: In Hoeneß we trust!

Finn Jeltsch und Luca Jaquez haben auch deshalb Mislintat-Vibes, weil niemand im Vorfeld etwas zu den Transfers hörte und viele die Spieler nicht kennen beziehungsweise nicht auf dem Schirm hatten.

Fabian Wohlgemuth schaut mit den beiden Transfers über den Tag hinaus, er denkt mittel- und langfristig. Er hatte die Gelegenheit schon länger, die zwei Talente zu verpflichten, der Rouault-Transfer gab ihm jetzt auch die finanzielle Möglichkeit. Der Sport-Vorstand denkt an die Zukunft, hofft bei beiden Perspektivspielern aber auch auf Verstärkungen in der Gegenwart.

Wohlgemuth setzt weiter auf die VfB-DNA „jung und wild“
Statt westfälischer Hausmannskost tischt uns Fabian Mislinmuth mittlerweile innovatives Fusion Food auf. Er läßt sich nicht von einem kurzfristigen personellen Engpass leiten. Das geht selten gut. Auch ein erfahrener Verteidiger muss ankommen und sich mit dem Hoeneß-Ball vertraut machen. Ich erinnere mich an eine Personalnot bei Bayern München: Medhi Benatia, Jérôme Boateng und Javi Martínez waren zum Jahresanfang 2016 ausgefallen und der schlaue Herr Reschke verpflichtete Serdar Tasci aus Moskau. Der konnte sich am Ende zwar deutscher Meister nennen, absolvierte aber lediglich drei Spiele für den Rekordmeister.

Zum Weiterlesen:
Heute feiert Ilyas Tüfekci seinen 65. Geburtstag. Zwei Jahre begeisterte er die Fans in Stuttgart. Aber es ist eine traurige Geschichte.

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18 Kommentare

  1. bacardihardy sagt

    Sehe es positiv, wie im Artikel.
    Das lässt doch hoffen, wenn der VfB auf diese Talente setzt. Meiner Meinung nach ist dies alternativlos. Lieber jung, schnell und wild und die Chance auf Entwicklung, so legt man das Geld richtig an. Kann dem VfB , insbesondere Gente und Wohlgemuth nur gratulieren. Alles richtig gemacht. Das sind Transfers , welche ich mir genauso gewünscht habe. Jetzt muss sie Seb nur noch aufstellen.

  2. Divina33 sagt

    Ich finde eigentlich alles richtig zusammengefasst.

    Nur den Kinderriegel finde ich despektierlich. In Spanien kommen doch solche jungen Spieler auch zu ihrem Einsatz. Und kein Mensch würde ein Talent dort als Kind oder Bubi bezeichnen, vermute ich.

    • @abiszet sagt

      Ja, Kinderriegel ist diskutabel, habe mich erinnert, dass Subotic und Hummels vor 100 Jahren mal so bezeichnet wurden ;-)

  3. Konny sagt

    Mein erster Gedanke. Dito – Wir haben doch den „Herwerth“. Was ist mit dem?

    Ich bin da immer so ein bisschen missmutig, wenn (andere) junge Talente unseren irgendwie auch was wegnehmen. Das hat mich bei Mislin(baldnichtmehr)Tat
    schon gestört, daß er inflationär Talente anderer Vereine eingestellt hat. Wo Du es schreibst, was machen eigentlich Teto, Tangy, Borna so zur Zeit, von Dinos, Orel und Endo hab ich auch schon ewig nix mehr gelesen…? Dinos mit seinen Läufen nach vorn war schon ziemlich cool. Den mochte ich sehr trotz diverser Gedankenausfälle hi und da.

    Wir werden sehen, gehe davon aus, der Trainer wollte sie und Schnelligkeit fehlt uns ja wirklich.

    Das wird was gegen Ko – Dortmund 😬
    Mal sehn, wie das dann Morgen läuft und wer mit Chabot spielt.

    Leicht wirds nicht morgen… und gegen DO erstrecht nicht, die mit den Messer zwischen den Zähnen tanzen 🥶 und gleich mehrere Rechnungen mit uns offen haben 🫣

    • @abiszet sagt

      Herwerth wird wohl noch nicht so weit sein, wer sind wir, das von außen beurteilen zu wollen.

      Hämisch auf abgegangene Spieler zu schauen und mich zu freuen, dass sie nicht rocken, ist nicht mein Ding. Mangala hat übrigens Schindelmeiser verpflichtet, Reschke holte Borna.

      • Konny sagt

        Nein, ich habe es absolut nicht hämisch gemeint, Entschuldigung, wenn es so rüber kam, es war wirklich eine ehrliche interessierte Frage, hab nie mehr was gelesen von den Ex VfBlern, auch von Sasa nicht. Endo würde ich jederzeit wieder nehmen, würde wohl eher leider nicht mehr passen.

        Dann drücke ich es anders aus, mir wäre ein VfB Talent lieber als eins von außen, natürlich kann ich das ebenfalls nicht beurteilen, mir wär halt ein VfBler (hier Herwerth) lieber.

  4. Divina33 sagt

    Ich denk auch in die Richtung von Konny.

    Wäre schön, wenn aus unserem Porsche NLZ auch mal einer hochkäme.

    Oleg im anderen Beitrag meinte Thomas Kastanaras.

    Kann ich letztendlich auch nicht beurteilen, aber weniger als null Tore geht ja auch nicht.

    • @abiszet sagt

      @Konny 👍
      @Divina Welcher aktuelle Stürmer hat null Tore, für den Kastanaras spielen könnte? Ich finde, es sagt alles, als bei der CL Not am Mann war, wurde nicht Kastanaras eingewechselt …

  5. Divina33 sagt

    Ich dachte die letzten drei Spiele.
    Über Undav wurde ja schon gerätselt,
    Demirovic ist wohl blockiert bzw hängt in der Luft, was mit Woltemate gerade ist – ich weiß es nicht – hatte ja einen guten Lauf.

    Es war ja eine Idee von Oleg mit Kastanaras. Ich bin da zu weit weg von der zweiten Mannschaft.
    Hab gerade noch mal nachgeschaut. In der CL gegen Paris saß er gar nicht auf der Bank.
    Aber manchmal könnte, das vielleicht einen Schub geben, wenn unser eigener Nachwuchs eben auch mal eingewechselt wird – zumindest in einem Spiel wo man nichts mehr zu verlieren hat.

    Also meine Frage ist nach unseren eigenen Nachwuchs oder in deinen Worten: Nach unseren eigenen Bubis.

    Ich freu mich trotzdem auf die Neuen die jetzt kommen.

    • @abiszet sagt

      Zu erwarten, dass Kastanaras mal so Undav, Demi oder Woltemade treffsichrer sein solle/könnte, ist naiv.

  6. Michael Hartmann sagt

    Ich finde die Verantwortlichen beim VfB machen derzeit alles richtig.
    Wir vergessen alle, wo wir herkommen und denken, der VfB muss jetzt jedes Spiel gewinnen. Hätte mir einer nach dem Relegationsspiel gegen den HSV gesagt, dass wir ein Jahr später Vizemeister werden………
    Wir haben überragende Profis im Vorstand und auf dem Platz.
    Wenn das so weitergeht werden wir wieder international spielen in den kommenden Jahren. Herz was begehrst Du mehr?
    Danke VfB für die vielen Stunden der Glückseligkeit. Macht weiter so.

    Gruß Michael Hartmann alias Buffie Jahrgang 53

  7. drhuey sagt

    Sehr gut, wenn ihr nochmal an Svennie und seine Talente erinnert. Denn wie damals sollte auch heute gelten, dass es nicht alle schaffen und teilweise in der Versenkung verschwinden werden. Vielleicht haben wir derzeit einen Trainer, der die Chancen erhöht, die Entwicklung der Talente positiv zu beeinflussen, aber diese Strategie bleibt ein Risiko. Und wir sehen alle die Limits eines Vereins mit einer Ab- und Aufstiegs-Historie wie der VfB in der Bundesliga und erst recht international. Wir treten in der CL mit einem Abwehrchef an, der 5 Mio. gekostet hat, der zwar ganz ähnliche Werte wie sein Vorgänger hatte, aber nur Absteigererfahrung mitbringt und somit in der Spieleröffnung kein adäquater Ersatz sein kann. Wir haben einen sehr smarten, Tiefe anbietenden Stürmer gegen einen teuren Boxspieler getauscht. Wir haben übersehen, dass alle anderen Offensivspieler von diesem smarten, mitdenkenden Stürmer profitiert haben, und ohne diesen, ihre Defizite deutlicheren Einfluss auf das Spiel haben. Und schliesslich haben wir für unseren Ruhepuls30-Hiroki noch immer keinen adäquaten Ersatz. Der jetzige Kader konnte nicht an die Fabel-Vorsaison anknüpfen, weil schlicht die Qualität geringer geworden ist. Ich kritisiere das nicht, es ist nur Fakt und hilft, gerade nach so einer Ausnahmesaison die Erwartungen auch etwas konservativer zu halten. Zu den Neuen kann ich nichts sagen, aber bisher macht das Duo FW und SH einen sehr guten Job, was zu einem einstelligen Tabellenplatz reichen sollte am Ende.

    • @abiszet sagt

      Völlig richtig:
      Du kannst nicht erwarten, dass eine Abwehr mit 30 Mio Marktwert (Chabot, Al-Dakhil, Rouault) Deine bisherige Abwehr (Anton & Ito, verkauft für über 50 Mio, Marktwert deutlich höher) ersetzt. Dasselbe im Angriff, von den unterschiedlichen Spielerprofilen (und nicht angepasster Spielweise) mal abgesehen.

      Bei Mislintat war es teilweise bissle anders:
      Er hat sich (bedingt durch die angespannten Finanzen?) eine Kategorie tiefer bewegt. Ob Millot, Ahamada, Coulibaly oder Klimo: Keiner hatte echte Erfahrung im Profi-Bereich, alle kamen so gut wie direkt aus der Jugend. Da dauert es länger und das Risiko ist größer.

  8. Marcus Fichter sagt

    Der VfB hat ja, wenn ich mich richtig erinnere, es auch so kommuniziert, das man junge Talente holt, fördert und dann im besten Fall gewinnbringend weiterkaufen “muss”.

    Hat ja bisher ganz gut funktioniert, manchmal auch eben nicht. Klar ist da immer ein Risiko dabei, aber oft ist es ja so, das schon ein gewinnbringender Verkauf ein paar andere finanziell bei weitem übertrifft, s. Ito, Rouault, Endo, Mangala usw…

    Zu dem Thema eigene Talente, da ist es halt auch so, das manche/viele es eben auf den letzten Metern nicht packen. Und bei dem vorgenannten Beispiel Spanien, wir wissen hier nicht, wie viele dort und auch in anderen Ligen ( England z.B. ) durchs Raster fallen. Das sind Tausende.

    Derzeit ist meine Gefühlslage so, das F.W. + C.G. zusammen mit S.H. ein tolles Team bilden. Die meisten Verpflichtungen sind nachvollziehbar ( nicht so wie bei Bobic mit Camoranesi und anderen…) und entsprechen der Philosophie, die der VfB leben und darstellen möchte. Und das auch dann auch noch mit dementsprechendem finanziellen Erfolg bzw. Ertrag. Bei Rouault kann man das klar erkennen…für irgendwas um die 3 Mio. gekauft und für 15 Mio wieder verkauft. Dafür zwei Top-Talente geholt, die weiter entwickelt und dann evtl. dann irgendwann für teures Geld weiterverkauft.

    Wenn der Verein es schafft, diesen Weg so weiter zu gehen, dann steht eine solide und erfolgreiche Zukunft an.

  9. Jochen sagt

    Warum sind die nächsten drei Spiele entscheidend? Die BuLi ist ein Marathonlauf. Teile des Umfelds sehen sich schon dauerhaft in der CL. Warum sollte uns etwas in zwei Jahren gelingen wofür andere eher 5 bis 10 benötigen oder es nie schaffen? Der Weg ist absolut richtig und vernünftig. Rückschläge gehören dazu. Kontinuität im Management und idealer Weise im Trainer -stab sind wichtig. Wobei man schon überlegen m, wer den begehrten Herrn Hoeneß ersetzen könnte. Und die Fans müssen realistisch und geduldig sein. Die Reaktionen nach dem CL aus machen Mut.

    • @abiszet sagt

      Die nächsten drei Spiele sind deshalb entscheidend, weil der VfB aus drei Niederlagen kommt und die folgenden Ergebnisse den Ton anspielen für den Rest der Saison. Du hast völlig Recht, die Entwicklung ist eher ein Marathonlauf, gleichwohl bin ich mit Alex Wehrle einer Meinung, dass der VfB im Moment eine “einmalige Chance” hat, in neue sportliche Bereiche vorzustoßen.

  10. Achim Herzblutfan sagt

    Danke für die guten Kommentare.
    Marcus Fichter: gebe dir hier vollkommen recht. Vielleicht kacken die Mitbewerber mit Mehrfachbelastung auch noch das eine oder andere Mal ab.
    Die kochen auch bloss mit Wasser, Marktwert hin oder her.
    Gehe jetzt ins Stadion und schreie meinen, sorry unseren, VfB ins DFB-Halbfinale. Wetter stimmt.

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