Nach dem “hervorragenden Jahr 2018” (Dietrich-Voice), an dessen Ende der VfB Stuttgart auf dem Tabellenplatz 16 steht, drei Trainer beschäftigt(e), in der Sommertransferperiode über 30 Millionen bislang ohne sichtbare Wirkung investierte und die Stimmung im Club bestens ist, geht das Jahr 2019 gleich mit der nächsten Erfolgsmeldung weiter: Frisches Geld für Sport-Vorstand Michael Reschke steht vor der Tür, es soll sich um 50 Millionen handeln! Die Bedingungen sind zwar noch etwas unklar, aber der VfB hat wohl mit dem französischen Vermarkter Lagardère Sports einen zweiten Investor gefunden. So lange der VfB nur seine Anteile verkauft und nicht auch seine Vermarktungsrechte mit diesem Preis mitverscherbelt, sind das doch gute Nachrichten, oder? Es ist kein chinesischer Investor, es ist kein Scheich und auch kein russischer Oligarch.
#Lagardère ist nicht so schlimm wie befürchtet. Hätte ja auch ein chinesischer Investor sein können.
Dietrich hingegen wird nie wieder glaubhaft für eine Sache oder einen Kandidaten werben können. Das sollten die restlichen Verantwortlichen bedenken. #VfB
— Danny1893 (@DannyDan1893) January 3, 2019
Da in dem Deal (bestimmt!) keine Vermarktungsanteile enthalten sind, bleibt allerdings die Frage, was sich die Vermarktungsagentur von einer reinen Finanzbeteiligung am VfB Stuttgart verspricht. Andererseits ist dies ja ein Problem der Franzosen und nicht das vom VfB. Win-Win ist ja ohnehin so eine völlig veraltete Business-Kasper-Formel aus den Nuller-Jahren.
Lagardère vermarktet bereits einige Bundesligisten und natürlich vermuten einige Bruddler und Pessimisten hier einen drohenden Interessenkonflikt. Aber auch hier gilt: Der Investor wird wohl kaum den Verein benachteiligen, in dem seine Kohle steckt. Sorry, Hannover, Dortmund, Leverkusen, Augsburg, Nürnberg und Hertha!
Außerdem: Wenn Wolfgang Dietrich keine Interessenkonflikte sieht, dann existieren sie auch nicht. Und er hat schließlich die Investorensuche zur Chefsache erklärt. Nach außen hin wird Teamwork groß geschrieben, aber den Deal mit Lagardère hat der Präsident im engsten Kreis eingefädelt. So eng, dass selbst die meisten VfB-Mitarbeiter vom zweiten Investor das erste Mal von Sky News HD erfahren haben. Darunter auch Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze eventuell in Gefahr sind, falls Vermarktung und Marketing zukünftig doch in französischer Hand sein sollten. Aber hat schon jemand Erfolg gehabt, der Stilfragen beachtet? Sag’ ich doch!
Apropos Stilfrage: Die stellte sich ja auch rund um die Ausgliederungskampagne. Dass der zweite Investor jetzt kein “starker regionaler Partner” ist, wie suggeriert wurde, war schon lange klar. Immerhin kommt jetzt ein Partner, der seine Kernkompetenzen beim VfB einbringen kann. Und überhaupt: Gilbert Gress, Didier Six, Matthieu Delpierre, Benjamin Pavard! Mit Franzosen hat man in Stuttgart eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht. Aber war da nicht auch immer von 100 Millionen Euro die Rede, die durch die Ausgliederung in die Kassen in Cannstatt gespült werden sollten? Einige haben sich ja damals schon gefragt, wie man sich da so sicher sein kann. Jetzt sind es anscheinend nur gut 90 Millionen. Aber das hätte sich als Schlagzeile natürlich nicht so gut gemacht. Schwamm drüber. Sind ja nur Peanuts.
Übrigens: Der Mutterkonzern Lagardère möchte seine Sportvermarktungssparte – also eben jene, die in den VfB investieren soll – noch im ersten Halbjahr 2019 verkaufen. Vielleicht wird es also doch noch was mit einem chinesischen Investor, einem arabischen Scheich oder einem russischen Oligarch.
Selbst wenn alles schief gehen sollte und das Geld verpufft (so ein Abstieg kostet ja 50 Millionen), wäre das kein Beinbruch. Sollte der VfB nach einem weiteren erfolgreichen Jahr erneut absteigen, können zusätzlich knapp 25 Prozent der Anteile verkauft werden und der VfB Stuttgart würde immer noch 50+1 einhalten. Die Mitglieder müssten bei einer der nächsten Versammlungen nur einem entsprechenden Antrag zustimmen. Und wer glaubt nicht daran? Nach einer Kampagne à la „Noch mehr Geld für noch mehr Erfolg!“ würden sicher über 80 Prozent der Mitglieder ja sagen, wenn es als Extra noch ein Frottesana-Vintage-Trikot und ein lauwarmes Schnitzelweckle oben drauf gibt.
Aber wer weiß: Noch ist der Deal nicht in trockenen Tüchern. Und nachdem momentan offenbar weder Spieler, noch technische Direktoren zum VfB wollen, sollten wir uns nicht zu früh freuen – oder ärgern.
Danke an @MartinPanik1893 für die Überschrift.
Sehr schöne Zusammenfassung der Unterschiede zwischen Marketing und Realität in unserem Verein. Um das Ziel Ausgliederung zu erreichen hat uns Herr Dietrich wissentlich die ein oder andere Lüge aufgetischt. Naja, dass Stuttgart 21 ein Immobilien- und kein Mobilitätsprojekt ist, hat auch niemand erwähnt. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, oder ? Sollten die 50 Mio. stimmen, hat Herr Reschke bereits 10 Mio. Marktwert verbrannt durch seine unsägliche Kaderzusammenstellung, während Daimler ca. 4 Mio. short ist. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Herrn Reschkes Transferzwischenbilanz durch einen Deal seines Vorgängers einigermassen gerettet wird. Das kann eine Momentaufnahme sein, aber wie an anderer Stelle bereits erwähnt, lässt sich Leistungskultur nicht kaufen, sondern muss vorgelebt werden. Insofern kann ich nur hoffen, dass wir derzeit nicht den Anfang vom Ende erleben. Noch nie in den letzten fast 40 Jahren meiner Anhängerschaft hatte der VfB eine bessere Ausgangslage die Basis für nachhaltigen Erfolg zu legen. Und ich hoffe er lässt diese einmalige Chance trotz der handelnden Personen nicht ungenutzt.
Die 100 Millionen können ja durchaus noch erreicht werden. Es wurde ja nicht gesagt, wie viel Prozent Lagardère für die 50 Melonen bekommt.
Das mit dem Interessenkonflikt könnte sich ebenfalls in Luft auflösen, wenn Lagardère wirklich den Sport-Bereich verkauft. Etwas Kompetenz im Marketing-Bereich werden sie trotzdem mitbringen, wovon der VfB dann hoffentlich profitieren kann — auch wenn die Vermarktungsrechte weiter in der eigenen Hand liegen (und das soll laut StZ/StN ja auch so bleiben).
Weiß jemand, wie groß die Anteile der Katarer Scheichs an Lagardère sind?
Ja, da sind noch viele offene Fragen. Dass Lagardère nicht die kompletten verbleibenden Anteile übernimmt, scheint allerdings unwahrscheinlich. Warten wir einfach mal ab, was da noch so kommt.