Ich bin kein Fußball-Romantiker. Ganz bestimmt nicht. Ich hatte kein Problem damit, als Hoffenheim in die Bundesliga aufgestiegen ist und ich werde kein Problem damit haben, wenn Red Bull Leipzig ihnen bald nachfolgt. Selbstverständlich steht den handelnden Personen dort mehr Geld zur Verfügung als anderswo. Dennoch müssen sie gute Arbeit leisten, um aus diesen finanziellen Vorteilen sportlichen Erfolg zu generieren. Dass das kein Selbstläufer ist, sieht man in Hoffenheim. Oder in Manchester. Und dass man auch mit weniger Geld viel erreichen kann, sieht man nicht nur in Leicester.
Doch darum soll es auch gar nicht gehen. Sondern vielmehr um das Thema, das letzte Woche in aller Munde war. Reden wir kurz über das “Team Marktwert“.
Die “Traditionsvereine” Hertha BSC, Werder Bremen, Eintracht Frankfurt, Hamburger SV, 1. FC Köln und VfB Stuttgart habe sich zusammengetan und fordern eine Änderung der Kriterien zur Verteilung der TV-Gelder.
Statt des bisherigen “2-Säulen-Modells” aus fixem Sockelbetrag (rund 65 Prozent) und der 5-Jahreswertung (rund 35 Prozent) soll eine weitere Säule hinzugefügt werden: Der “tatsächliche Marktwert”. Wie sich der vielleicht errechnen könnte, wissen die Verantwortlichen natürlich auch: Kennzahlen wie Fanbasis, Beliebtheit, Bekanntheit, TV-Reichweite und Interaktionsraten in Social Media sollen berücksichtigt werden.
Für den sportlichen Erfolg seid ihr doch selbst verantwortlich, #VFB, #HSV, #BRE, #BSC, #SGE und #effzeh! #TeamMarktwert
— Martin H. (@boekelberg66) 30. März 2016
Ein Blick in die anderen Topligen zeigt, dass dort Verteilungsmodelle angewendet werden, die die Popularität der Vereine berücksichtigen. Grundsätzlich gesehen scheint dieser Weg also durchaus sinnvoll. Dennoch ist es etwas befremdlich, dass sich mit Bremen, Frankfurt, Hamburg und Stuttgart genau die Vereine positionieren, die sich in den letzten Jahren konsequent von den internationalen Tabellenrängen auf die hinteren Plätze gespielt haben und dafür nun mehr Geld möchten. Dabei berufen sie sich unter anderem auf ihre Tradition und ihren Wert für die gesamte Liga. Aber ist Tradition nicht eigentlich ein genauso unfairer Wettbewerbsvorteil wie ein potenter Mäzen? Warum sollten Teams, die auf und neben dem Platz gute Arbeit leisten, tolle Fans haben und den neutralen Zuschauer begeistern, weniger verdienen, nur weil ihr Gründungsdatum nicht 1893, sondern vielleicht 1963 ist? Ist ein Grottenkick wie jüngst das Spiel von Frankfurt gegen Köln besser und mehr wert, nur weil die Spieler zweier Gründungmitglieder der Bundesliga die Bälle verstolpern? Ich denke nicht.
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Wem der Vorschlag, weitere Faktoren bei der Verteilung der TV-Gelder zu berücksichtigen, bekannt vorkommt: Joachim Watzke hat das gleiche Thema im Dezember des vergangenen Jahre schon mal auf den Tisch gebracht. Dabei ließ er den Traditions-Faktor jedoch bewusst außen vor:
“Ich habe mich nie für Traditionsklubs stark gemacht, sondern für die großen Klubs, die man stärken sollte. Es geht um Klubs, die die Massen bewegen.” – Joachim Watzke
“Da wird sich dann auf Tradition berufen, die 50 Jahre zurückliegt, aber nichts mit der Leistung des Vereins im Jahr 2016 zu tun hat” – Christian Heidel
Interessanter ist da schon die Sache mit der Interaktion über die sozialen Netzwerke. Gestern wurde mir gesagt, dass der VfB in der Twitter-Follower-Tabelle Platz 7 belegt. Nicht schlecht. Bestimmt der Verdienst von Hashtag-Bernd. Noch ein paar Follower mehr und das Social Media Team twittert nächstes Jahr europäisch. Natürlich steht jetzt auch der Transfer von Kevin Großkreutz in einem ganz anderen Licht da. Vielleicht waren gar nicht seine Qualitäten als Rechtsverteidiger ausschlaggebend, sondern seine 384.000 Follower bei Instagram? Wer weiß. Werden Spieler in Zukunft primär nach Reichweite und Selfie-Qualitäten verpflichtet? Da wird selbst mir als Fußball-Nichtromantiker ganz anders.
Aber ist es nicht so, dass sportlicher Erfolg das einzig ausschlaggebende Argument ist? Warum ist zum Beispiel Mönchengladbach nicht Mitglied im Team Marktwert? Weil sie es nicht nötig haben! Sie sind einfach zu erfolgreich, um sich an ihre Tradition oder andere schwer zu bewertende Erfolgsparameter klammern zu müssen. War ja auch nicht immer so. Wir erinnern uns kurz: M’gladbach stieg 2008 wieder auf – übrigens gemeinsam mit Hoffenheim. Und, ja: Gladbach war kein Gründungsmitglied der Bundesliga. Aber dennoch hat der Verein mehr Saisons in der Bundesliga absolviert als Köln oder Berlin. So gesehen hat übrigens auch Bayer Leverkusen mehr “Tradition” als die Hertha.
Was bringt die Zukunft?
Welche Kriterien werden noch erfunden, um etwas mehr vom Kuchen abzubekommen? Vielleicht die Anzahl der verkauften Trikots. Oder auch deren Stylefaktor? Dann könnte sich der VfB auf mehr Geld freuen. Die Slogans und Markenwerte eines Vereins? Hier ist Hashtag-Bernd schon seit Jahren furchtlos unterwegs und könnte somit dem VfB den einen oder anderen Euro reinholen. Wird irgendwann aus sportlicher Tabelle, Markentabelle und Zuschauerquote der Meister ermittelt? Erhält die sportliche Tabelle einen Traditionsfaktor? Wenn Einschaltquoten und Spektakel in Zukunft wichtiger werden als der sportliche Erfolg, war die Entlassung von Alexander Zorniger übrigens eine schlimme Fehlentscheidung.
Aber warum so kompliziert? Fußball ist ein einfaches Spiel. Wer mindestens ein Tor mehr schießt als der Gegner ist der Gewinner. Und gewinnen ist sexy – und wird es immer bleiben. Das mögen die Fans. Und kommen ins Stadion, fahren zu Auswärtsspielen, kaufen Trikots, klicken gefällt mir usw. Und am Ende gewinnt sowieso immer der FC Bayern.
Danke, dass du das so schön niedergeschrieben hast. Ich sehe das durchaus ähnlich, auch wenn es durchaus valide Argumente Pro #TeamMarktwert gibt, z.B. wer mehr Fernsehzuschauer generiert, könnte auch entsprechend stärker von den Fernseheinnahmen profitieren. Meine erste Reaktion bei Bekanntwerden war “#TeamMarktwert hört sich wie der leicht verzweifelte Versuch an, den Status Quo von vor 20 Jahren zu halten oder wiederherzustellen.”..;-)