Ausgliederung, Schlagzeilen, VfB
Kommentare 3

Verein, Club, Unternehmen, Basta-AG

Nach der in der letzten Mitgliederversammlung mit überwältigender Mehrheit beschlossenen Ausgliederung ist der VfB Stuttgart ein anderer geworden. Wem das noch nicht schon lange klar war, dem wurde es nun vor Augen geführt. Präsident Wolfgang Dietrich schließt als Anteilseigner an der VfB AG auch einen Investmentfonds nicht aus. Das bedeutet nicht, dass er es forciert. Es bedeutet aber: Der erste Mann des VfB wird alles tun, um den VfB wieder erfolgreich zu machen. Alles. Dafür scheut er auch vor unpopulären Entscheidungen (Rauswurf Schindelmeiser) nicht zurück. Dafür erinnert er sich im Zweifel an Aussagen vor der Ausgliederung („regionale Firmen als Partner“) nicht mehr. So viel zu Fakes und Fakten. Das ist für Fans und Mitglieder nicht schön, aber bei einem Unternehmen werden schließlich auch nicht Mitarbeiter und Käufer in jede Entscheidung einbezogen. Es wird entschieden. Und gemacht. Basta.

Und Wolfgang Dietrich ist ein Basta-Präsident. Wo er ist, ist vorne. Was er sagt, wird gemacht. Machtworte und ein autoritärer Gestaltungswillen werden dabei natürlich skeptisch betrachtet, denn Werte wie Partizipation und Kooperation werden dadurch an den Rand gedrängt. Und genau die sind es, die Fans und Mitglieder einfordern, „Augenhöhe“ ist dabei das Stichwort. Aber wer hat das nach der Ausgliederung wirklich erwartet?

Wer Ja zum Erfolg gesagt hat – und das waren immerhin 84,2 Prozent – der sagte auch Ja zu einer neuen Unternehmenspolitik. Ganz genau: Unternehmens- und nicht Vereins-Politik. Fußball-Romantik und Gruppenkuscheln: das ist nicht die Sache von Herrn Dietrich. Der Präsident will den VfB Stuttgart auf allen Ebenen professionalisieren, um Risiken so weit wie möglich zu reduzieren und um die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs zu erhöhen. Vielleicht hat so einer beim VfB über viele Jahre gefehlt, mit der Bereitschaft, seine Ideen kompromisslos zu verwirklichen, „einer, der den Laden auseinander nimmt“, wie Jürgen Klinsmann sagen würde.

Warum groß die Mitglieder und Fans mitnehmen auf diesem Weg? Das passiert ganz automatisch, denn der Erfolg nimmt alle mit. Nur: der Erfolg muss auch kommen. Sonst wird es selbst für einen Basta-Präsidenten eng. Eins ist sicher: Es werden Krisen kommen und womöglich sogar der Moment, in dem der sportliche Misserfolg alles überlagert. Dann interessiert sich niemand mehr für Ausgliederungsmillionen, professionelle Strukturen und nachhaltige Zukunftspläne, sondern nur noch für den Klassenerhalt und den Tabellenplatz.

Rang 15 in dieser Saison wäre ein Erfolg  und das wird schwierig genug. Mit einem Kader, der erst sehr spät komplett war und der nach wie vor einige Lücken aufweist. Mit einem Team, das in Sachen Mentalität und Widerstandsfähigkeit noch Nachholbedarf hat. Man wünscht sich fast, die Mannschaft würde auf dem Platz ähnlich resolut auftreten wie ihr Präsident abseits davon. Aber statt Ja zu drei Punkten und dem Erfolg in Frankfurt lässt sich die Mannschaft auch noch den einen klauen.

Es wird also nicht reichen, “Basta” zu sagen. Mit einem Machtwort erreicht man viel. Aber sicherlich keinen Nichtabstiegsplatz.

Lang, aber sehr interessant zu lesen ist die Aufarbeitung drüben bei Rund um den Brustring: Das G’schmäckle schlägt zurück.

Und auch den Standpunkt von Benjamin vom Tragischen Dreieck zu diesem Thema solltet Ihr gelesen haben: An den Fans vorbei.

Ihr wollt keinen Beitrag mehr verpassen? Dann abonniert einfach unseren kostenlosen Newsletter. Kein Spam. Kein Scheiß.

Darf gerne geteilt werden:

3 Kommentare

  1. drausvomLande sagt

    Fast alles richtig, d.h. alles richtig, lediglich die Definition “Was ist Erfolg?” ist zu kurz gekommen.
    Während im Verein der Tabellenplatz, das Spiel der eigenen Mannschaft, die Mentalität der eigenen Mannschaft, die Identifikation mit einzelnen Spielern, die Qualität des Stadionbesuchs und der sonstigen Vereinsveranstaltungen das Maß aller Dinge sind, zählt in der Basta AG nur Money, und das kann man auch mit Finanz-Geschiebe, chinesischen PayPerView-Applern, Postengeschachere und passender Auftragsvergabe machen. Schade. Einziger Trost: etwas echter Fussball muss schon noch gemacht werden, das Vehikel braucht man schon noch, eSports ist noch nicht soweit.

    • @abiszet sagt

      Hi dvL,
      ja, das ist Dein Thema, das Spannungsfeld zwischen Sport und Wirtschaft. Ich sehe die beiden Felder verknüpft. Sicher gibt es Leute und Institutionen, die in erster Linie Geld verdienen wollen. Aber das geht, wenn der Sport „erfolgreich“ ist (= Tabellenplatz). Und das drumrum wie Spiel der eigenen Mannschaft, die Mentalität der eigenen Mannschaft, die Identifikation mit einzelnen Spielern, die Qualität des Stadionbesuchs spielt mE auch eine wichtige Rolle. Auch diejenigen, die die Zahlen verantworten, müssen diese Faktoren beachten. Letztlich sollten die Anteilseigner/Investoren die Steigbügel sein für den sportlichen Erfolg. So wurde es auch bei der Ausgliederung verabschiedet. Entscheidend ist die Frage, WAS man ALLES tut, um den Tabellenplatz zu erreichen und ob und wie weit man sich damit vom Publikum zu weit entfernt.

  2. drausvomLande sagt

    Tja abiszet,
    Du hast ja Recht, um Geld zu verdienen, muss einer erfolgreich sein. Im Sport muss das aber nicht zwangsläufig der Sportler sein. Ich persönlich glaube nämlich nicht, dass die Daimler-Millionen mit dem Ziel investiert wurden, aus dem VfB die Nummer 1 in der Bundesliga zu machen, dazu sind es einfach zu wenige (und waren es auch schon vor dem Transfer-Wahnsinn), also wird sich Daimler einen anderen Profit = ReInvest versprechen …
    Ich kann mir aber durchaus vorstellen, meine (leider nicht vorhandenen) Millionen zu nehmen, diese in die AG zu investieren und mir dann lukrative Aufträge zu holen, z.b. im Beratungs- und Merchandising-Geschäft. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, als Anteileigner dann Kredite zur Verfügung zu stellen und als Sicherheiten mir z.B. Pavard-Transfer-Erlöse geben zu lassen. Da ich die Millionen nicht habe, musste ich mich auch noch nicht mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinander setzen, aber was an Schmu bei normalen AGs geht, wird sicherlich in ähnlicher Form auch beim VfB möglich sein
    und ja: Ich habe 0,0 Vertrauen in die augenblicklich kaufmännisch verantwortlich handelnden Personen. Richtig ausgedrückt, sogar weniger als 0,0
    und nochmal ja: es gibt sicherlich genügend Kooperationen zwischen Sport und Wirtschaft, die erfolgreich sind, mit win-win und so, aber diese Konstellation beim VfB? So wie sie entstanden ist? Vollidiot, wer das nicht versteht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.