Einfach heartbreaking das Statement von Lord Hlousek „Es hört sich komisch an, aber ich liebe diesen Verein“, es bringt amtlich die Gefühle vieler VfB-Fans zum Ausdruck. Der Lord weiß halt wie er die Fans ins Bett kriegt, vielleicht sollte er Liebeslieder für AnnenMayKantereit oder Kraftklub schreiben. Aber hoffentlich rufe ich am Samstag dem VfB nach seinem Spiel in Köln nicht zu: „Du am Arsch, und ich nackt daheim mit ‘ner Flasche Bier!“. Ja, ok, ich sollte vielleicht keine Lyrics verfassen.
Wenn der Lord für mich und den VfB texten würde, dann würde er wohl in diese Richtung gehen: „Du bist meine Heimat, ich hab’nur Dich. Du bist mein zu Hause, für immer und mich“*
Ich kenne fast alle Spieler des VfB. Sogar dann noch, wenn sie seit 25 Jahren nicht mehr gespielt haben, 30 Kilo zugenommen haben und einen Vollbart tragen, wie Nils Schmäler beim Mercedes Benz Junior Cup. Das testet Sebastian immer wieder, in dem er mir alte Mannschaftsbilder unter die Nase hält und ich darauf Roland Mall, Dieter Brenninger oder Karl-Heinz Handschuh erkennen muss. Ausgerechnet die erfolgreichste VfB-Zeit, die 50er Jahre, ist so gar nicht mein Ding. Meine Verbindung zu den zwei Meisterschaften und zwei DFB-Pokalsiegen zwischen 1950 und 1958 besteht in erster Linie aus dem Jubiläumstrikot von 2013 mit dem durchgehenden Brustring, das ich übrigens für noch schöner halte als das aktuelle.
Logisch, Robert Schlienz kenne ich, sein Können, seine immense Bedeutung für den VfB, sein Schicksal. Aber sonst?
Der Ende 2014 verstorbene Erich Retter sagt mir noch was, aber nur weil er eine Tankstelle in der Mercedesstraße hatte, an der mein Vater und ich uns manchmal ein Cola geholt haben. Dass er aufgrund einer Verletzung die WM 1954 verpasste und so ein verhinderter Weltmeister ist, habe ich nachgelesen. Ebenso dass Rolf Blessing neben Schlienz der einzige Spieler war, der alle Erfolge der goldenen 50er Jahre mitgemacht hat. Karl Bögelein ist mir allerdings wieder ein Begriff, in erster Linie, weil er in den 70ern zweimal als Interimstrainer einsprang, nachdem Branko Zebec und Istvan Szani entlassen wurden. Das sehe ich immer in der Bilderstrecke “Die Trainer des VfB von Baluses bis heute” der Stuttgarter Zeitung, wenn mal wieder ein neuer Mann auf der Bank sitzt. „Dr Böges“ folgte auf Otto “Gummi” Schmid und war einer der besten Torhüter seiner Zeit, an Toni Turek kam er jedoch nicht vorbei. Otto Baitinger hatte nichts mit dem Unterwäsche-Lädle in der Cannstatter Markstraße zu tun, in dessen Schaufenster ich die fleischfarbenen BHs bewunderte. Er schoß die entscheidenden Tore gegen den FC Saarbrücken im Endspiel um die Meisterschaft 1952.
Das erste Nachkriegsländerspiel im Neckarstadion kenne ich aus Erzählungen, in das hatte sich mein Vater als kleiner Bub reinschmuggelt, meine Oma war fuchsteufelswild, als sie davon erfuhr. “Des Buale wär beinoh zerquetscht worra!” Es regnete in Strömen, Menschen rutschen die Erdhänge herunter. Für 80.000 Zuschauer war das Stadion ausgelegt, mehr als 100.000 sollen gekommen sein.
Hat mich der VfB zum Chief of 50er Jahre ernannt?
Nö, ich habe das Buch “Der VfB in Mexiko” von Adriano Gómez-Bantel gelesen. Es berichtet über die Auslandsreise – die erste einer deutschen Mannschaft nach dem Krieg – von 1951. Gelesen ist ein bisschen viel gesagt, durchgeblätttert ist richtiger, denn das Buch besteht in erster Linie aus historischen Aufnahmen. Das Buch inspirierte mich, in die 50er Jahre des VfB einzusteigen, um mein schwarzes Wissensloch zu füllen.
Heute wird heiß darüber diskutiert, ob es den Spielern zuzumuten ist, bei einer Flugreise drei Stunden in der Holzklasse zu sitzen. In den 50er Jahren war die Delegation des VfB drei Tage unterwegs nach Mexiko, mit Zwischenstopps in Amsterdam, Glasgow, Montreal und Havanna.
Neben vielen Bildern und Zeitungsausschnitten wird der Reisebericht des damaligen Präsidenten Dr. Fritz Walter in den Originalseiten der Vereinsnachrichten abgedruckt. “Sein mexikanisches Tagebuch” gibt Einblicke in die Welt der 50er Jahre, zum Beispiel die Beschreibung des Zwischenstopps in Havanna: “Eine badwarme Treibhausluft umfängt uns und läßt uns bald den Schweiß aus allen Poren brechen (…). Ein abendlicher Rundgang durch die Straßen vermittelt uns den Eindruck einer Weltstadt. Farbige Menschen herrschen vor …”.
Zwischendrin sind Anzeigen platziert, allein deshalb lohnt sich das Buch. Von den Werbetreibenden gibt es heute nur noch den Sport Haizmann. Auch das nennt man Tradition.
Die Bilder sind dem Buch entnommen, das uns der Autor kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Zu kaufen ist es im VfB-Shop oder auf Amazon.
* In Anlehnung an AnnenMayKantereits “Zu oft gefragt” (siehe hier)
Klasse Artikel über die besten Jahre des VfB. Euer Blog ist immer wieder lustig und interessant zu lesen…
Vielen Dank! Und wie geschrieben: Das Buch ist ein echte Schatzkiste für Nostalgiker.
Wusste ich ja gar nicht, mit Mexiko. Buch heute in Stuggi gekauft :-)