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Wer gibt dem VfB den Rest?

… Anthony Modeste!

14 Bundesliga-Auswärtssiege holten die Rheinländer in Stuttgart, der letzte Erfolg gelang in der Saison 2015/16, als der VfB Zorniger-Fußball spielte. Im Pokal gewannen sie bis Mittwoch noch nie im Neckarstadion. Irgendwann reißt jede Serie. Aber immerhin hat der VfB nicht 5:0 verloren.

Steffen Baumgart ist eigentlich eine Karikatur eines Fußballtrainers. Wie er sich am Spielfeldrand verhält, ist eine komisch überzeichnete Darstellung wie man sich einen engagierten und emotionalen Coach vorstellt: Immer auf Ballhöhe, leicht geduckte Haltung, grimmig schauend, ostentativ Kaugummi kauend, stets ins Feld hineinbrüllend und -pfeifend, stets garniert mit seiner katzenkotzenfarbenen Schiebermütze. Aber eins muss man Baumgart lassen: Er lebt mit seiner Leidenschaft vor, wie die Kölner ihre fehlende Qualität kompensieren können. Er hat die Kölner belebt und lässt aktiven, attraktiven und risikoreichen Fußball spielen. Oder er lässt einfachste Abfolgen trainieren wie Einwurf – Kopfballverlängerung – Tor. Dazu hat er ein gutes Gefühl für Spieler und Spielsituationen. Nachdem er acht Veränderungen in der Startelf gegenüber dem 2:2 gegen Leverkusen vornahm, wechselt er mit Mark Uth und Anthony Modeste den Sieg ein. Modeste, auf den wieder Lieder gesungen werden (siehe oben), ist die Symbolfigur dieser wiederbelebten Kölner Mannschaft, denn seine Karriere schien nach seiner Rückkehr aus China dem Ende entgegen zu gehen. Und genau so ein Spieler fehlt dem VfB derzeit.

Jetzt lag es nicht nur an Modeste, dass der VfB in der zweiten Pokalrunde ausschied. Es wird eben schwer, ohne Stürmer in der Offensive eine gewisse Durchschlagskraft zu entwickeln. Mateo Klimowicz bekam mal wieder eine Chance, aber Pellegrino Matarazzo tat ihm keinen Gefallen, ihn als hängende Neun aufzubieten. Er zeigte zwar vereinzelt seine hohen technischen Fähigkeiten, blieb aber insgesamt ohne jeglichen Einfluss aufs Spiel. Zudem fehlte dem VfB eine klare Anspielstation in der Sturmmitte. „Wir waren nicht zielstrebig genug“, sagte Matarazzo zur Harmlosigkeit seiner Spieler. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Mannschaftlich wirkte das offensiv ziemlich planlos, individuell sah das unkonzentriert, desorientiert und fehlerhaft aus. Fast jeder gewonnene Ball wurde im Umschaltspiel verloren, entweder durch ungenaue Zuspiele oder durch verlorene Zweikämpfe, in denen sich die Kölner sehr griffig zeigten.

Schade, dass der VfB die offenen Außenbahnen der Kölner zwar mehrfach bespielte – gerade Jonas Hector stand sehr hoch – aber dann meist an der Strafraumgrenze nicht mehr weiter wusste. Matarazzo wechselte zwar Wahid Faghir ein, um endlich einen Zielspieler im Strafraum zu haben, aber dem VfB entglitt Mitte der zweiten Halbzeit das Spiel. Nach Ballverlusten offenbarten sich riesige Lücken, es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis Köln in Führung geht. Der VfB wirkte am Ende seiner Kräfte, physisch und mental. Woche für Woche wichtige Spieler ersetzen zu müssen, geht an die Substanz. Zumal Akteure wie Tanguy Coulibaly vom nächsten Schritt noch weit entfernt sind und Chris Führich nach gutem Start beim VfB kaum noch klare Aktionen zustande bringt. Zudem sucht er noch zu wenig den Torabschluss. Aus der zweiten und dritten Reihe scheint im Moment außer mit Abstrichen Daniel Didavi keiner dem VfB weiter zu helfen: Faghir irrte durch die Gegend, Hamadi Al Ghaddoui wie immer hoch engagiert, aber nur mit einem guten Laufweg. Von Ömer Beyaz darf man auch keine Wunderdinge erwarten, auch wenn es undankbar für ihn war, bei diesem Spielstand eingewechselt zu werden. Und Naouirou Ahamada? Vielsprechende Ansätze, mutige Läufe und Zuspiele zeigte er in den wenigen Minuten, aber erneut ein Kamikaze-Zweikampfverhalten. Gelernt hat er wohl wenig seit seiner roten Karte im April gegen Leipzig.

Die sehr wichtigen Spiele gegen Augsburg und Bielefeld werden zu einem erneuten Kraftakt, wie auch der Rest der Vorrunde. Beide Gegner sind jetzt nicht unbedingt Riesen, haben selbst auch riesige Probleme, aber gegen beide zu punkten, wird entscheidend sein für den weiteren Verlauf der Saison – um beide im Tabellenkeller zu halten und den Abstand möglichst zu vergrößern. Philipp Förster kann wieder eine Option werden, die dem VfB-Spiel durchaus gut tun könnte. Auch Omar Marmoush wäre als belebendes Element in der Spitze nicht unwichtig. Ein Dreieck aus Endo, Mangala und Ahamada könnte im zentralen Mittelfeld für Stabilität sorgen.

Ansonsten bleibt die Hoffnung auf die Rückkehr der Unterschiedspieler, die aber erst in der Rückrunde ein Faktor werden könnten. Die Punkte braucht der VfB jedoch jetzt. Aber wir bleiben positiv. Denn: Manche hängen ihre Fahnen nach dem erstbesten Wind. Doch die Liebe beweist sich erst, wenn der Wind zunimmt.

Zum Weiterlesen:
Rund um den Brustring sieht ein ernüchterndes, aber nicht überraschendes Pokal-Aus.

effzeh.com feiert Modeste: Tony strikes again!

Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images

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10 Kommentare

  1. drhuey sagt

    Das mit der Liebe ist so ne Sache. Ist sie gross vernebelt sie auch gerne einmal den nüchternen Blick. Fakt ist aber, dass das “Jugend forscht”-Projekt an seine Grenzen kommt im harten Bundesliga-Alltag. In der ersten Halbzeit hat das bis zur Strafraumgrenze noch ganz gut ausgesehen und der VfB hat Dinge gemacht, die der VfB halt so macht. Solide, aber ohne dem stabil stehenden Gegner wirklich Angst einzuflössen. Führich hat viel versucht aus dem Schema F mal auszubrechen, aber gegen zwei oder manchmal drei Gegenspieler wird es trotz Positionswechseln einfach schwierig. Das Zusammenspiel Didavi und Coulibaly hat gar nicht funktioniert; die beiden haben wohl immer verschiedene Ideen der nächsten Aktion. Wobei die Idee des Letzteren einfach durch Gegenspieler durchlaufen zu können so langsam zur Erkenntnis führen könnte, dass das wenig erfolgversprechend ist. Was verfolgte Matarazzo mit der Hereinnahme von Hamadi? Die Kölner haben so wenig Raum geboten am Strafraum, dass ein so limitierter Spieler keinen Beitrag leisten kann. Aus meiner Sicht ist es nicht nur der fehlende Zielspieler, sondern auch, dass viele jungen Spieler eben nicht den nächsten Schritt machen. Das war von Anfang an das Risiko und Köln hatte eben einen Uth, der die grösser werdenden Räume in der 2. Halbzeit zu nutzen wusste. Ich kann mir beim besten Willen (und aller Liebe) nicht vorstellen, dass man sich gegen Augsburg und Bielefeld substantiell von den Abstiegsrängen entfernen kann.

    • @abiszet sagt

      Welcher von den Spielern gestern lässt denn auf den nächsten Schritt warten? Coulibaly, ja. Klimo auch. Und sonst?

        • @abiszet sagt

          Na ja, Ahamada und Massimo kann man gestern keinen großen Vorwurf machen ;-) Zudem war Ahamada eine ganze Zeit verletzt, so dass er kaum Gelegenheit für Schritte hatte.

          Aber ich dachte auch, wo bleibt der nächste Schritt? Nur: Gestern waren von denen, die ihn gehen müssen, tatsächlich nur 2 auf dem Feld (Klimo/Coulibaly). Bei Massimo sehe ich übrigens den Schritt, auch wenn er klein ist. Wobei zB Dinos den Schritt gemacht hat plus noch 2 gewaltige dazu. Ito hat wohl ein paar Entwicklungsschritte übersprungen, der spielt erstaunlich stabil.

  2. Jörn sagt

    Genau…sehr gut geschrieben. Wir müssen das junge Team weiter unterstützen. Es war vom Verein ein Abstiegskampf vorhergesagt. Und für die Ausfälle bisher, muss man der Mannschaft trotzdem ein Kompliment machen. Denn kämpfen tun sie und es werden auch immer wieder gute Spiele kommen und die Fahnen werden bei jedem Wind wehen

  3. ich bleibe bei meinem Kommentar von vor ein paar Wochen – die beiden Spiele gegen Augsburg und Bielefeld auf keinen Fall nicht verlieren (2x 0-0 würde ich sofort nehmen) und dann noch 2-3 Punkte irgendwie irgendwo sammeln und dann hoffentlich nach der WP mit Silas und Sasa langsam den Abstand nach unten vergrößern. Außerdem haut SM vielleicht noch einen raus (nötig wärs).

  4. Motzbackenbruddler sagt

    Ich bin tatsächlich ganz froh, dass wir raus aus dem Pokal sind. Glückwunsch auch an Köln an dieser Stelle, übrigens ein Verein, den ich sehr mag und der hier ganz klar die Nummer durch gezogen hat. Wie Baumgart Modeste wieder belebt hat, ist echt beeindruckend! Aber zurück zu uns: Der Fokus ist ganz klar Abstiegskampf – nichts anderes! Gegen Augsburg und Bielefeld müssen Punkte her – egal wie.

  5. Bacardihardy sagt

    Ich bin nicht froh, dass wir raus sind aus dem Pokal.
    Ich mag den SvenM. und den Trainer Materazzo,
    Aber sie müssen noch lernen. Leider.
    Sowohl bei der Transferpolitik als auch im Trainingsbetrieb. Der Millot Transfer in Höhe von 2 Mio war für die Katz und ich behaupte mal, die Jungs sind einfach nicht 100% bundesligafit. Hier hat das Trainerteam versagt.
    Wenn ich lese, dass Karazor und Nartey schon wieder muskuläre Probleme haben, da werde ich crazy.
    Es sind noch ein paar Spiele bis zur Winterpause und der VfB kommt jetzt schon auf den Felgen daher.
    Jetzt gilt es Vollgas zu geben.
    Jetzt kommen Mannschaften die kämpfen.
    Das verlange ich auch vom VfB.
    Aber wie soll das gelingen, wenn man nicht 100% fit ist.

  6. Clemens sagt

    VfB Spiele sind derzeit eine zähe Angelegenheit, schwer verdaulich, wenig zu genießen. Die Stagnation in ihrer Entwicklung ist bei Klimowicz und Coulibaly am deutlichsten zu erkennen. Aber auch Ahamada hat mich mit seiner offenen Sohle gegen Modeste sprachlos gemacht. Immer wieder übermotiviert, immer wieder zu viel unkontrollierte Härte. Wenn er das nicht schnellstmöglich abstellen kann, sollte man sich nach dieser Saison wieder von dem Spieler trennen, denn so gefährdet er permanent rot gefährdet den Erfolg des Teams. Der VfB wandelt mit seiner Jugend Philosophie aktuell ein wenig “on the edge”. Machen nicht jedes Jahr 2-3 der Talente einen deutlichen Entwicklungssprung, kann das Konzept nicht aufgehen. Dass man im Sommer trotz der Verletzungsmisere auf den jungen Faghir gesetzt hat, der als 4-Jahres Projekt betrachtet wird und derzeit offensichtlich noch nicht helfen kann, darf man als gewagten Move betrachten. Sozusagen “alles auf Rot”.

    Matarazzo klagt und jammert aber trotzdem nicht und flüchtet sich schon gar nicht in irgendwelche Ausreden. Und Gründe für diese nicht eingespielte Truppe und die geringe Durchschlagskraft gibt es viele (nein, ich zähle sie nicht zum x-ten Mal auf). Fast keinen davon hat Matarazzo zu verantworten. Die Angriffsformationen stellen sich von Spiel zu Spiel quasi von selbst auf (je nachdem, wer gerade mal wieder fehlt). Und dennoch frage auch ich mich, was sich Matarazzo z.B. von Al Ghaddioui im VfB Spiel verspricht. Aber vielleicht erinnert sich der Trainer auch einfach nur an die Aufstiegssaison, in der Ali G. diverse wichtige Treffer (wenn auch nur in der 2. Liga) erzielen konnte, die wir anderen Couch-Coaches vermutlich alle schon längst vergessen haben.

    Apropos vergessen, der beinahe schon in Vergessenheit geratene Nico Gonzalez hätte uns aktuell auch dann nicht helfen können, wenn er uns nicht verlassen hätte. Aktuell wird der Argentinier der Fiorentina einige Wochen aufgrund einer Corona Infektion fehlen. Ansonsten waren seine Leistungen in Italien überschaubar. Lediglich in der argentinischen N11 explodiert der Junge gelegentlich.

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