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Wie Timo Gebhart den VfB rettete

Gegen Hoffenheim gab es das 100. Bundesliga-Gegentor in der Ära Matarazzo, am Wochenende findet das 100. Spiel zwischen dem VfB und Gladbach statt. Für Statistik-Freunde: Da waren 1980 auch einmal Hin- und Rückspiel im Halbfinale des UEFA Cups dabei. Wer als Erste/r ohne Google(!) mehr als fünf Spieler der Startelf weiß, bekommt von uns eine VfB Fußballfibel geschenkt.

Das letzte Spiel gegen Gladbach mit Entscheidungs-Charakter fand am 5. Februar 2011 statt, ein spektakulärer 2:3-Auswärtssieg mit einem Elfmetertor von Timo Gebhart in der 87. Minute.

Sebastian schrieb dazu in eben jener VfB-Fibel:
Man muss sich nur den Spielbericht aus der ZEIT anschauen, um zu wissen, was für ein Spiel das war: „Während die Stuttgarter ihren ersten Auswärtssieg in dieser Saison feiern und als Tabellenvorletzter mit 19 Punkten den Anschluss an die sicheren Plätze wahren, werden die Sorgen für die Gladbacher immer größer. Noch immer warten sie auf den ersten Heimerfolg in dieser Spielzeit und haben nun schon sechs Punkte Abstand zu einem Nichtabstiegsplatz.“ Es war das „Top-Spiel“ des 21. Spieltags der Saison 2010/11 an einem unfreundlichen und kalten Februartag. Gladbach gegen Stuttgart, oder besser: Not gegen Elend. Letzter gegen Vorletzter. Als es mit einer 2:0-Halbzeit-Führung für die Gladbacher in die Pause ging, hätten wir nicht mehr viel auf das Team von Bruno Labbadia gegeben. Aber dann kamen Pogrebnjak und Harnik und schon nach 56 Minuten stand es 2:2! Das war auch 30 Minuten später noch das Resultat. Doch dann foulte Dante Pogrebnjak. Oder eben auch nicht: so klar war das nicht, aber der VfB bekam einen Elfmeter zugesprochen, der wichtiger nicht hätte sein können. Den musste jemand schießen, der entweder Nerven wie Drahtseile hat oder sich einfach keine Gedanken macht. Die Stuttgarter wählten die zweite Option: Timo Gebhart trat an – und traf.

Im Fußballsprech nennt man das wohl „Duplizität der Ereignisse“: Der VfB 2022 ebenfalls Vorletzter mit 19 Punkten, damals wie heute das „Top-Spiel“ des Spieltags. Ich erinnere mich noch gut an das Spiel: Sebastian und ich schauten es bei ihm zu Hause in Gablenberg an, ein Kind lag fiebernd auf dem Sofa, wir fühlten uns aufgrund des Spielstands auch krank  und checkten zur Pause – schon stark angetrunken – gegen wen der VfB in der zweiten Liga antreten müsste. Oberhausen, die Löwen, Union Berlin, Duisburg, Alemannia Aachen. Gegen Bielefeld würde es wohl knapp werden, da die Ostwestfalen zu diesem Zeitpunkt abgeschlagen Letzter waren.

Mit einem Comeback des VfB rechneten wir nicht mehr, immerhin brachte Trainer Bruno Labbadia zur Halbzeit Tamas Hajnal und Zdravko Kuzmanovic für Patrick Funk und Cristian Molinaro. Man kann sagen, der VfB hatte vor elf Jahren noch echte Optionen auf der Bank. Die Dramaturgie des Spiels setzte Emotionen frei, vor allem bei Sebastian und mir, als wir schreiend vor dem Fernseher standen. Ich glaube, Bier wurde auch verschüttet. Der Kraftakt beflügelte den VfB aber nicht lange. Schon ein Woche später setze es eine 1:4 Niederlage gegen Nürnberg („Schieber vergrößert die Stuttgarter Sorgen“).

Und heute? Auch wenn der VfB gegen den Champions League-Kandididaten Hoffenheim mehr als ordentlich auftrat: Es sind mittlerweile neun Spiele ohne Sieg, vorne nicht konsequent genug, hinten tollpatschig. Immer wieder Rückschläge, mal selbstverschuldet, mal nicht. Das stärkt nicht gerade das Selbstvertrauen. Vor allem, wenn immer dieselben inneren Bilder ablaufen:

• Erinnerungen an Misserfolge und eigene Fehler
• Die Vorstellung von Dingen, die schlecht liefen
• Gedanken an zukünftiges Scheitern und Angst vor kommenden Katastrophen

“Nicht schon wieder, das geht einem da schon durch den Kopf”, gab Atakan Karazor nach dem Hoffenheim-Spiel Einblick in seine Gedanken. Das Problem: Es werden immer weniger Spiele, um Selbstvertrauen zu tanken. Nur noch zehn Partien inklusive Bayern und Dortmund. Auf die nächsten Spiele zu hoffen, „aufzustehen“ und „zusammen zu rücken“, alles nice, aber wie will der VfB Punkte sammeln? Viel zu oft sah das in dieser Saison so aus: Bemüht, engagiert, aber dann doch tolpatschig und letztlich erfolglos:

Der dritte Abstieg innerhalb von sechs Jahren scheint kaum noch abwendbar. Aber so dachten Sebastian und ich auch in der Halbzeitpause des Gladbachspiels 2011. Nach der folgenden 1:4 Niederlage gegen Nürnberg gab es Siege gegen Frankfurt, Schalke, St. Pauli, Köln, Hoffenheim, Hannover und den HSV. Der VfB hielt die Klasse mit 42 Punkten.

Danke Timo Gebhart!

Zum Weiterlesen:
Die unangenehmen Parallelen zwischen Bremen 2021 und VfB 2022
Zum Spielbericht des 2:3

Bild: THOMAS KIENZLE/AFP via Getty Images

Ihr habt es mitbekommen: Die Menschen in der Ukraine haben aktuell viel größere Probleme als Abstiegssorgen. Hundertausende müssen aufgrund des Krieges ihr Zuhause verlassen. Wenn ihr ihnen helfen möchtet: In fast jeder größeren Stadt gibt es Sammelstellen für Sachspenden und zahlreiche Hilforganisation sammeln Geldspenden ein. Eine Übersicht gibt es z.B. hier.

Ihr könnt auch am Samstag direkt vor dem Stadion Sachspenden abgeben:

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7 Kommentare

  1. Mathias sagt

    Es ist das 100. Bundesligaspiel.
    1980 ohne Google… Vielleicht Roleder, zwei Mal Förster, Handschuh, Sigurvinsson?

      • @abiszet sagt

        Hmm, … Roleder, 2x Förster und Bernd Martin sind richtig. Sigurvinsson und Handschuh waren leider nicht dabei.

  2. Stefan sagt

    Hand aufs Herz:
    Wie viele hättet Ihr zusammengebracht?
    Auf Martin wäre ich nicht gekommen, kann aber auch sonst nur raten: vielleicht Hansi Müller, Kelsch, Ohlicher?

    • @abiszet sagt

      Die Mannschaft waren für mich als Kind meine ersten Helden, Rohleder, Elmer, Martin, Holcer, Müller, Ohlicher, Hattenberger, die Förster-Brüder, Kelsch, Volkert werde ich nie vergessen ;-)

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