Mini-Feature, VfB
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Das 20-Punkte-Spiel

In seiner Antrittsrede sagte der neue CEO und Sportvorstand Alexander Wehrle allerlei Cleveres und hinterließ einen ausgezeichneten und sehr zupackenden Eindruck, was die Projekte in der Zukunft angeht. Bei der Gegenwart wurde er emotional und ballte die Fäuste, denn es sollen “alle Kräfte gebündelt werden für den Klassenerhalt“. In diesem Zusammenhang bezeichnete er die Partie gegen Arminia Bielefeld als “20 Punkte-Spiel!“. Präsident Claus Vogt reagierte darauf leicht irritiert: „Das mit den 20 Punkten musst du mir bei Gelegenheit mal erklären!“

Es ist nicht überliefert, ob und wie Wehrle das erklären konnte, denn auch gegen Bielefeld gibt es nur drei Punkte und zählt man die drei Punkte dazu, die dem Verlierer entgehen, kann man ganz eventuell von einem 6 Punkte-Spiel sprechen. Und selbst das ist mathematisch durchaus diskutabel. Aber Wehrle hat schon Recht: Das Spiel ist ganz entscheidend für den Kampf um den Klassenerhalt. Entschieden ist am 28. Spieltag noch nichts, doch leichter (oder besser: schlagbarer) werden die Gegner für Bielefeld und den VfB nicht mehr.

Die Vorzeichen vor dem Abstiegskracher könnten nicht unterschiedlicher sein: Mit zwei Siegen und einem Unentschieden ist das Team von Pellegrino Matarazzo sensationeller Zweiter der März-Tabelle. Klar, man kassiert immer noch zu viele Tore, aber entscheidend ist doch, dass man mindestens genau so viele geschossen hat wie der Gegner – und gegen M’gladbach und Augsburg sogar eins mehr!

Und die Arminia? Die stand nach dem 1:0 Sieg gegen Union Berlin am 23. Spieltag mit 25 Punkten dort, wo der VfB jetzt gastiert: Auf Platz 14. Deren Problem: Seitdem ist kein einziger Punkt dazugekommen – und auch kein Tor: 0:3 in Leverkusen, 0:1 gegen Augsburg, 0:1 in Dortmund und 0:4 in Mainz lautet die erschreckende Bilanz.

Also eigentlich eine klare Sache, wenn der März-Vizemeister gegen den Tabellenletzten des letzten Monats antritt? Natürlich nicht, denn schließlich läuft es für den VfB Stuttgart gegen die Arminia traditionell eher so semi. Die letzten Partien dürften sogar hartgesottene Fans verdrängt haben: z.B. das trostlose 0:1 im Neckarstadion vor 33.500 Zuschauern, als der VfB im November mit Daniel Didavi und Roberto Massimo im Sturm auflief und die Bielefelder am 11. Spieltag(!) ihren ersten Saisonsieg landeten. Oder das 0:2 am 34. Spieltag der letzten Saison. Oder gar das 0:3 auf der Alm am Januar 2021 – vielleicht einer der schlechtesten VfB-Auftritte in der ansonsten guten Saison.

Blicken wir also lieber ein wenig weiter zurück in die Vergangenheit. Denn der letzte Punktgewinn stammt noch aus Zweitliga-Zeiten als Mario Gomez im letzten Vor-Corona-Spiel das Tor beim 1:1 zu erzielte. Der letzte Dreier? Ein viel bejubelter Last-Minute-Sieg in Bielefeld. Der Torschütze damals: Hamadi Al(m) Ghaddioui.

Noch spektakulärer war das Flutlichtspiel am Ostermontag 2017, als Alexandru Maxim aus 40 Metern zum 1:1 traf, Simon Terodde mit einem Messi-Moment auf 2:1 stellte, um in der 89. Minute den Siegtreffer für VfB zu erzielen, und damit das Team von Hannes Wolf wieder an die Tabellenspitze zu schießen.

Lang ist’s her und für die Tabellenspitze wird es am Samstag garantiert nicht reichen, aber mit einem Auswärtssieg könnte man die Ostwestfalen immerhin auf vier Punkte distanzieren und nach dem schon jetzt legendären 3:2 gegen Augsburg die nächsten Big Points im Abstiegkampf einfahren bevor mit Borussia Dortmund ein Gegner aus der Kategorie “jeder Punkt wäre eine Überraschung” kommt.

Dabei sollte man sich nicht von der Negativserie der Bielefelder blenden lassen. Denn der VfB hat zwei Nachteile: Zum einen wurde der Flow durch die Länderspielpause unterbrochen nach den sieben Punkten in drei Begegnungen und den Spektakelspielen gegen Gladbach und Augsburg. Zum anderen hatte Bielefeld nach vier Niederlagen in Folge im Break durch die internationalen Spiele Zeit, die Sinne zu schärfen, um den negativen Trend zu brechen: Vermutlich wieder mit dem eigentlich bewährten Prinzip: Viele lange Bällen, energisch geführte Zweikämpfe und natürlich mit Ausdauer: 120 gelaufene Kilometern pro Spiel machen Bielefeld zum laufstärksten Team der Liga. Der VfB hingegen liegt mit 112 Kilometern auf Rang 13. Dass Laufleistung nicht gleich Punkte bedeutet, zeigt die Tabelle zwar eindrücklich, aber dennoch muss der VfB vom Anpfiff weg mit der gleichen Entschlossenheit agieren wie in den letzten Spielen. Es ist zu erwarten, dass Matarazzo sein Team im gewohnten 4-3-3 der letzten Spiele antritt, nur auf die bornösen Sosa-Flanken müssen wir eventuell verzichten: Die Adduktoren zwicken. Ein schmerzlicher Verlust, vor allem wenn man bedenkt, wie stark Sosa zuletztwar und dass wir ihn vermutlich nicht mehr so oft im VfB-Trikot sehen werden.

Apropos letzte Spiele: Die haben uns gelehrt, dass der VfB tunlichst nicht das erste Tor der Partie erzielen sollte, sondern lieber nach Rückstand zurückkommen sollte. Das Problem: Wenn die Arminia in Führung geht, verliert sie nicht mehr. Neun mal schossen die Bielefelder das erste Tor und holten damit fünf Siege und vier Unentschieden. Eine komplizierte Rechnung also. Gut, dass der VfB einen Mathematiker an der Linie stehen hat.

Pellegrino Matarazzo wird das mit den 20 Punkten zwar auch nicht erklären können, aber wenn er nach dem Siegtreffer wieder über den halben Platz sprintet, reichen uns auch drei!

Zum Weitergucken:
Wenn ihr ganz ganz genau wissen wollt, guckt ihr euch am besten den Vorbericht bei STR mit Arminia-Expertin Eva-Lotta Bohle an:



Photo by Alex Grimm/Getty Images

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7 Kommentare

  1. Micha sagt

    Die Rechnung mit den 20 Punkten ist auch ohne ein Mathestudium an einer amerikanischen Eliteuni leicht erklärt:
    40 Punkte sind der sichere Klassenerhalt.
    Ein Sieg in Bielefeld ist schon der halbe Klassenerhalt.
    Und die Hälfte von 40…

    • Bernd sagt

      Fast richtig. Wenn wir in den letzten 20 Jahren auf der Alm gewonnen haben, dann haben wir in der Saison immer mindestens 58 Punkte geholt. Da wir in dieser Saison mit viel Wohlwollen auf 38 Punkte zusteuern, können wir das nur schaffen wenn es für einen Sieg gegen Bielefeld 20 Punkte gibt.

      Ich fürchte nur, das heißt einfach, dass wir uns im besten Fall mit einem Unentschieden begnügen müssen.

  2. Heinzi sagt

    es wäre schon sehr schön, auf der Alm in Führung zu gehen und sie dann auszuspielen. Lange geht das nicht mehr gut,auf der letzten Rille die Spiele zu drehen.

  3. Martina sagt

    1 von 20 🥹
    Hoffen wir 🙏dass die anderen 19 (2)
    uns bei der Endabrechnung nicht fehlen.
    Wieder 3x am fast leeren Tor vorbei 🫣
    Fand ich für Gonzo schade, dass er
    nicht spielen durfte 🥺 vor meinem
    Inneren Auge hab ich ihn schon den
    Siegtreffer reinzimnern sehen. Sogesehen…
    Muss Rose halt im nächsten Spiel dran glauben😅

    • @abiszet sagt

      Castro scheint (nach dem halben Jahr Pause, das muss man ja auch sehen) nicht so gut zu sein wie Du es gerne hättest. Und Du hättest Dich über Gonzos Siegtreffer gefreut?

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