Mini-Feature
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Einerseits … andererseits …

Es ist kompliziert. Mal wieder.
Okay, das ist jetzt nicht neues. Im Gegenteil: Als Fan des VfB Stuttgart kennt man es ja eigentlich gar nicht anders. Aber die aktuelle Situation ist dennoch irgendwie speziell.

Einerseits …
… kommt man nicht umhin, festzuhalten, dass der VfB Stuttgart im Heimspiel gegen Leipzig ein deutlich anderes Gesicht zeigte als in den meisten Spielen zuvor. Trotz des erneuten frühen Rückstands gab das Team sich nicht auf und fightete sich mit etwas Glück zurück in die Partie. Sogar der oft verschmähte Gonzalo Castro, der für Christian Gentner in der Startelf stand, grätschte einsatzfreudig durchs Mittelfeld. Im Gegensatz zu den Heimspielen gegen Mainz und Freiburg war man als Fan in der Halbzeitpause nicht komplett frustriert. Im Gegenteil: Ein Unentschieden schien am Samstag realistisch, und sogar ein Heimsieg im Bereich des Möglichen.

Andererseits …
… wissen wir, dass der VfB das Talent hat, immer so gut gut zu spielen, dass es knapp nicht reicht. Das, was der VfB gegen Leipzig zeigte, war nicht mehr als die Pflicht. Einsatz und Teamplay sind schließlich die absoluten Basics. Ohne diese Tugenden braucht man gar nicht erst anzutreten. Dass wir den Kampfgeist vom Samstag feiern, ist ein Beleg dafür, dass er bisher allzu oft gefehlt hat. Apropos gefehlt: Das gilt nach wie vor für das Offensivkonzept. Mehr als ein schmeichelhafter Elfer und jeweils eine Chance durch einen Innenverteidiger (Kabak) und einen defensiven Mittelfeldspieler (Ascacibar) standen nach 90 Minuten nicht zu Buche – im Gegensatz zu drei Gegentoren.

Einerseits …
kann man Markus Weinzierl nach so einer Performance gegen einen starken Gegner (der allerdings keinen starken Tag hatte) nicht rauswerfen. Auch, wenn die Spieler angesichts der klaren Niederlage nach Abpfiff eine Spur zu optimistisch waren, konnte man mit viel Wohlwollen einen ersten zarten Trend zum Guten erkennen. Allerdings nur mit ganz, ganz viel Wohlwollen. Weinzierl/Hitzlsperger, das Bayern-Duo auf Zeit in Stuttgart, hat durch den offen kommunizierten Schulterschluss eindeutig neue Energien im Team freigesetzt. Der “Mehltau”, wie der ehemalige Sportvorstand Michael R. es bezeichnete, scheint nicht mehr auf den Spieler zu liegen.

Andererseits …
sprechen nicht nur die Zahlen komplett gegen Markus Weinzierl. Der VfB spielt die schlechteste Saison seiner Historie, der Punkteschnitt von Weinzierl ist ebenfalls unerreicht mies. Dazu kommt, dass er offenbar immer noch keine stabile Elf gefunden zu haben scheint. Gegen Leipzig rückte Pavard von rechts wieder nach innen und Beck feierte sein Comeback als Rechtsverteidiger. Die Erkenntnis, dass Christian Gentner nicht zwangsläufig in der Startelf stehen muss, kommt ebenfalls reichlich spät.

Einerseits …
braucht niemand eine Drei-Trainer-Saison. Kontinuität auf dieser Position ist richtig und wichtig. Insofern kann man Thomas Hitzlsperger nur dazu beglückwünschen, an Weinzierl (vorerst) festzuhalten und ihn nicht nach der ersten Niederlage zu beurlauben.

Andererseits …
ist Kontinuität ausschließlich der Kontinuität willen nicht erstrebenswert. Sie muss auch sinnvoll sein. Es gibt genügend Beispiele von Vereinen, die an ihrem Trainer festgehalten haben. Die Frage, die sich stellt: Ist Markus Weinzierl für den VfB der Trainer, an dem man gegen alle Statistiken und Trends unbedingt festhalten will? Ihm das unbedingte Vertrauen auszusprechen, macht nur Sinn, wenn man ihm den kurzfristigen Turnaround noch zutraut oder wenn man bereit ist, mit ihm zur Not auch in der zweiten Liga den nächsten Neuaufbau zu starten. Aber ist das überhaupt realistisch mit einem Trainer, dessen Vertrag nur für die erste Liga gilt? Ist es das Risiko wert, mit Weinzierl bis zum bitteren Ende zu gehen, nur damit er dann “Adé” sagt? Keine leichte Situation für Thomas Hitzlsperger, der die Jobgarantie für den Trainer berechtigterweise nur von Spiel zu Spiel verlängert. Was aber nichts daran ändert, dass Weinzierl damit zur “lame duck” wird.

Einerseits …
bringt es nichts, wenn die Kurve nach dem Rückstand “Dietrich raus!” skandiert. Davon wird der Ausgleich nicht fallen. Ohnehin muss man sich fragen, was es mit dem VfB Stuttgart macht, falls Dietrich, entnervt von den immer lauter werdenden Protesten, jetzt mitten im derbsten Abstiegskampf einfach hinwirft. Wer würde das entstehende Vakuum füllen und was würde aus den Verhandlungen mit dem zweiten Investor? Schwierig.

Andererseits …
ist es absolut legitim, dass die Kurve die aktuelle Situation nutzt, um ihre Position eindeutig klar zu machen. Denn in der aktuellen sportlichen Misere wird umso deutlicher, wie verlogen es war, den Mitgliedern die Ausgliederung mit der hanebüchenen Gleichung “Geld = sportlicher Erfolg” zu verkaufen. So wie die Verantwortlichen im Frühling 2016 den sportlichen Höhenflug nutzten, um die Ausgliederung durchzudrücken, nutzen die Fans jetzt den Misserfolg, um das Gegenteil aufzuzeigen. Absolut legitim, finde ich. Wenn auch nicht ganz so hochglänzend wie die perfekt inszenierte Kampagne des VfB damals.

Ist es richtig, an Weinzierl festzuhalten? Ist es ein smarter Move, Thomas Hitzlsperger einen 3,5-Jahresvertrag zu geben? Wäre es zielführend, wenn Wolfgang Dietrich morgen das Handtuch wirft? Ich weiß es nicht. Okay, das ist nichts neues. Aber es ist mir selten so schwer gefallen, eine klare Position einzunehmen.

P.S. Eine klare Position habe ich allerdings hier: Wenn sich Lothar Matthäus(!) und Reinhold Beckmann(!!!) im TV abfällig über den VfB Stuttgart äußern, dann ist irgendwas gehörig schief gelaufen. Und das muss sich ändern!

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9 Kommentare

  1. Der Calmund hat sich gerade noch abfälliger geäußert, aber nicht in Richtung Vorstand oder Präsident, sondern eher in Richtung AR und die unschönen Entlassungen (Bobic, Rangnick) der letzten Jahre/Jahrzehnte. Auch damals hat der Fan solange geschrien, bis man die vom Hof gejagt hat. Wie diesmal mit Resche und Dietrich. Man lernt hat nicht dazu. Schön, dass Ihr hier erkennt, dass ein Führungsvakuum bis zum Saisonende das Schlimmste wäre, was nun (noch) passieren könnte. Aber so fertig, wie der WD bei der Hitzlsperger PK auftrat, dauert es nicht mehr lange, bis der Mann aus gesundheitlichen Gründen hinwirft. Und alles ist auch immer eine Frage der Alternativen…

    • @buzze sagt

      Wie geschrieben: Ein Dilemma. Einerseits sollte der Club mitten im Abstiegskampf nicht ohne Präsident dastehen, andererseits ist jetzt der richtige Zeitpunkt für die “Opposition”.

  2. Clemens sagt

    Ich hatte es bereits letzte Woche geschrieben und ich will mich daher auch nicht ausführlich wiederholen, nur noch einmal fragen, wer wäre denn bereit, sich als neuer Präsident des VfB anzubieten? diese Entscheidung muss nicht zwangsläufig noch im Laufe der aktuellen Saison getroffen werden, aber dann zumindest in der Sommerpause.

    Nach den jüngsten Enthüllungen zum Gehalt eines Holger Badstuber lässt sich allerdings feststellen, das eine Freistellung von Michael Reschke keinen Tag zu früh gekommen ist. Einen Spieler in diesem Alter mit einem Dreijahresvertrag ein solches Gehalt als Fixum zu garantieren, grenzt schon an wirtschaftlicher Fahrlässigkeit. Ähnlich dürften vermutlich auch die Gehälter von Castro, Gomez und Didavi ausschauen. Gott sei Dank darf Reschke keine Kaderplanung für die kommende Saison mehr verantworten. Was Reschke finanziell und sportlich beim VfB angerichtet hat wird frühestens in drei bis vier Jahren repariert sein. Insofern darf man konstatieren, dass Dietrich mit der Personalie Reschke mit dem Arsch eingerissen hat, was er zuvor durch die Ausgliederung und die bis dato erfolgreiche Akquise bei möglichen Investoren aufgebaut hat.

  3. drausvomLande sagt

    Ich weiß nicht, warum wir jetzt Reschke noch einmal vorwerfen, was wir ihm vorher schon vorgeworfen haben, die falschen Spieler, teure Spieler, alte Spieler, Fans verarschen, Wahrheitsbiegung usw., das ändert nichts mehr, genauso wenig wie es uns nutzt, wenn wir nun rätseln, ob der Ausflug in die erste Liga uns nun 50 oder 80 Millionen gekostet hat.
    Es nutzt uns auch nichts mehr, wenn wir das Dietrich wieder und wieder vorwerfen, aber wenn wir ihn loswerden wollen, müssen wir das nunmal tun, von alleine geht er nicht, wahrscheinlich auch beim Abstieg nicht.
    Polemik kann ich darin allerdings keine erkennen, Sprechgesänge, Spruchbänder, Pfiffe und Demos sind nun einmal die Aufsichtsratssitzungen und Golfrunden des einfachen Fans.
    Hitz wird nichts ändern können, für mich steht er wie Shindy und Wolf für einen Neu-Anfang, allerdings mit viel schlechteren Bedingungen und damit mit für einen Neu-Einsteiger fast unlösbaren Aufgaben, lasst ihn machen, helft ihm, nehmt die 2. Liga hin, nehmt den Abstiegskampf in der 2. Liga hin und freut euch auf bessere Zeiten
    Also mein Fazit dieser Saison:
    Geld verbraten wie noch nie
    vom Präsidium verarscht worden wie noch nie
    als Fan beschimpft worden wie noch nie
    und darüber hinaus noch nicht einmal ansatzweise ein Spieler mit Identifikationspotential,
    Zukunftsaussichten trübe wie noch nie …
    was um alles in der Welt wird das noch werden? Kaiserslautern?

  4. […] Man wird derzeit das Gefühl nicht los, dass rund um den VfB keiner so richtig weiß, was er mit diesem 1:3 gegen Leipzig machen soll – mich eingeschlossen. Dem Vertikalpass geht es scheinbar genauso. […]

  5. Ich wiederhole mich: Dietrich raus! Jetzt! Der Fisch stinkt vom Kopf. Der Mann hat schon bei S21 falsch gespielt und in seiner Freizeit hängt er mit AfD-Funktionären rum – pfui!

  6. Skyhawk172 sagt

    Wenn man die Sache ganz nüchtern betrachtet, muss man aber auch festhalten, dass die besten Entscheidung der letzten fünf Jahre getroffen wurden, als wir gerade mal keinen Präsidenten hatten. Auch der einzige Manager der letzten fünf bis zehn Jahren, der mehr Geld eingebracht als ausgeben hat, wurde in dieser Zeit geholt. Ich weiß echt nicht, ob ein Machtvakuum so schlimm wäre, wie immer behauptet wird. Die Fakten geben das für mich jedenfalls nicht her. Keine Kritik am obigen Beitrag, nur mal laut gedacht…

  7. Sebastian sagt

    Bin selber total hin und her gerissen. Eigentlich habe ich keine Lust auf einen Trainerwechsel, aber was wenn auch gegen Bremen und Hannover verloren wird? Dann kommen wir da wohl gar nicht mehr drum rum. Außer, man würde sich dann endlich dazu bekennen, mit MW auch in Liga 2 zu gehen. Wobei man dann auch von ihm die Bereitschaft dafür bräuchte.
    Im Büro habe ich noch einen KSCler sitzen. Wenn wir uns nicht gerade mit Misthaufen bewerfen, dann bemitleiden wir uns Gegenseitig, wobei ich da immer noch mehr zum Lachen habe als er. Momentan versucht er es mit Ratschlägen, wer denn der nächste Trainer für uns wäre. Einen Vorschlag fand ich zwar makaber, aber auch charmant. Er meinte wir sollen doch einfach ein Foto von Udo Lattek auf den Platz stellen, weniger erfolgreich wie MW kann das Foto kaum werden.

  8. Klaus sagt

    Die sauberste Lösung wäre, wenn WD jetzt bekannt geben würde, dass er bis zur nächsten MV irgendwann im Herbst im Amt bleibt und dann nicht mehr antritt. Das hätte nur Vorteile: kein Vakuum an der Vereinsspitze, es könnte eine geordnete Nachfolgersuche laufen, WD könnte noch den zweiten Investor eintüten und (hoffentlich nach dem Klassenerhalt) halbwegs erhobenen Hauptes abtreten, die Fans könnten ihre Proteste einstellen und die Mannschaft im Abstiegskampf mit aller Energie unterstützen.

    Fürchte nur, dass ihm Größe und Einsicht dazu fehlen.

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