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Love hurts

Zu glauben, dass Spieler ihre ganze Profi-Karriere beim VfB bleiben wie Helmut Roleder oder Hermann Ohlicher, ist romantisch und naiv. Der Fußball hat sich verändert. Wie die gesamte Gesellschaft. Früher hat man beim Daimler eine Lehre gemacht und arbeitete dann ein ganzes Leben beim Unternehmen mit dem Stern. Heute ist ein Job-Wechsel an der Tagesordnung und im Fußball soll das anders sein?

Wir sollten uns die Romantik natürlich erhalten, denn es ist schön, in einen Spieler verliebt zu sein. Bei mir ist es bekanntlich Borna Sosa. Seine Augen, sein Lächeln, sein linker Fuß, seine gebutterten und gezuckerten Flanken, seine Surfer-Attitüde haben mich eben voll erwischt. Den Rest gegeben haben mir seine Jubelszenen nach dem Klassenerhalt, als er nur noch in Shorts bekleidet das Spielfeld verließ. Bin ich froh, dass sein Transfer zu Atalanta Bergamo nicht geklappt hat? Natürlich, denn ich wünsche ihm einen Verein der Kategorie Mailand, Chelsea, City oder Madrid.

Dass er den VfB jetzt nicht verlässt – obwohl er sich angeblich mit Atalanta einig war – freut mich natürlich. Schon in der Winterpause 2022 hatte er sich trotz lukrativer Angebote für Abstiegskampf und den VfB entschieden, was ihm hoch anzurechnen ist. Dass er in vielen Spielen wegen seiner Adduktorenprobleme unter Schmerzen spielte, erst recht! Dass er laut Sven Mislintat das heißeste Eisen auf der Linksverteidigerposition ist, eröffnet ihm nach der WM alle Möglichkeiten. Ich drücke ihm jedenfalls die Daumen, dass er mit Kroatien eine gute Weltmeisterschaft spielt, auch wenn das Begehrlichkeiten bei anderen Clubs weckt.

Wenn ich Borna sehe, bekomme ich einen erhöhten Herzschlag, feuchte Hände, stark durchblutete Wangen, glänzende Augen, habe ständig ein Lächeln im Gesicht. Er ist der sympathische Blonde mit dem goldenen linken Fuß, seine Flanken sind wie Triumphbögen. Sosas makellose Bälle in den Strafraum haben oft den Unterschied ausgemacht. Er besitzt die große Fähigkeit, Bewegungen und Laufwege seiner Mitspieler zu antizipieren. Das Ergebnis: ein nahezu perfektes Timing seiner Flanken. Wenn er kurz davor ist, eine Flanke zu schlagen, ist es, als würde man einem Künstler bei der Arbeit zusehen. Ich sage deshalb schon lange, dass man seine Arbeiten im StadtPalais ausstellen sollte.

In Sosas Zeit beim VfB lief nicht alles glatt. Formschwächen, Unreife, Verletzungen, das Einwurf-Tor, seine Idee, in der deutschen Nationalmannschaft spielen zu wollen. Lange hatte er vor allem defensiv mit einem gewissen Phlegma zu kämpfen. Das haben ihm seine Trainer Tim Walter und Pellegrino Matarazzo weitgehend ausgetrieben, auch wenn die Offensive seine Stärke bleibt, wenn er mit seiner ansteckenden Energie über das Spielfeld sprintet.

Erstaunlich, dass es aus England kein Interesse gab. Besonders dort wird der Vergleich mit David Beckham gezogen. Auch optisch mit seinen längeren blonden Haaren und dem Haarband sind Parallelen zum englischen Glamourboy unverkennbar. Aber nicht sein Aussehen, sondern die Flanken sind sein Trademark und die könnten auch aus Beckham-Highlight-Filmen stammen.

Der Fußball hat sich verändert. Wir sollten uns mit ihm verändern und akzeptieren, dass uns Spieler verlassen. Wir sollten professionell sein und gleichzeitig heißblütig. Liebe schmerzt, aber sollten wir uns deshalb nicht verlieben? Wir müssen eben wissen, dass es im Fußball immer eine Liebe auf Zeit ist. Im besten Fall hinterlassen die Spieler wie Borna Sosa Spuren in unseren Herzen und unserer Erinnerung. Und wenn die Spieler weg sind, wir sind immer noch da und mit uns die Identität des VfB.

Aber noch spielt Borna beim VfB. Wir sollten ihm jetzt kein Denkmal bauen (obwohl ich der erste wäre), weil er nicht gewechselt ist: Er bleibt nicht aus Liebe in Stuttgart, auch wenn wir das gerne hätten. Sein Wunsch war es, den VfB zu verlassen. Aber Atalanta hat sich aufgrund der Ablöse zerschlagen, Inter Mailand war auch stark interessiert, wollte aber gleichzeitig Robin Gosens transferieren, was nicht klappte. Zweitbeste Lösungen wie bei seinem Kumpel Kalajdzic wollte Sosa offensichtlich nicht eingehen.

Lasst uns die Zeit genießen, so lange er noch beim VfB ist. Und wenn er gehen sollte, wünschen wir ihm nur das Beste – auch wenn es uns schmerzen sollte.

Bild: Matthias Kern/Getty Images

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9 Kommentare

  1. Bacardihardy sagt

    Das ist eine echte fussballerische Liebeserklärung an Sosa. Er ist sicher der Schwarm aller weiblichen VfB Fans. Borna we love you. Hoffe auch dass er , sollte er den VfB verlassen, ein richtig gutes Angebot bekommt. Der VfB hat tolle Spieler, dafür hat Sven gesorgt,ob es nun Sankoh, Tibidi sind, alles Spieler mit Riesenpotential. Auch Kuol finde ich einen super Typen, auch wenn er keine Chance bekommt. Seine Interviews im australischen Fernsehen, finde ich einfach genial, erfrischend und total selbstbewusst.
    Ich denke beim VfB findet jeder einen Lieblingsspieler. Denke der nächste VfB Spieler der so richtig Geld reinspült ist Dinos Mavropanos.

  2. Konrad sagt

    Meine Lieblingsspieler “jüngerer Zeit” war Gonzo. Für ihn hätte ich wahrscheinlich eine ähnliche Liebeserklärung schreiben können.

    Vielleicht fühlt sich Sosa noch nicht ganz fit für die ganz große Bühne. S.M. sagte im Interview nach dem Spiel, dass ihm wegen der Verletzung und Nichtteilnahme an der gesamten Vorbereitung noch was zu 100 % fehlt. Daher sicher die richtige Entscheidung in der Wohlfühloase VfB wieder fit zu werden, eine gute WM zu spielen und dann zu einem richtig großen Verein zu wechseln.

    Es ist mir noch ein Wunsch S.M. für die Transferperiode ein “Chapeau” auszudrücken. Sasa hat es ihm nicht leicht gemacht mit seiner Last Minute Entscheidung. Dass er jetzt einen Stürmer außerhalb seines Beuteschemas für einen relativ moderaten Betrag leihweise geholt und den Kader angemessen verkleinert hat, war sicher eine extrem große Herausforderung.

    Ich hätte mich sehr noch über den Spieler aus St. Pauli gefreut, aber das war wahrscheinlich aufgrund Sasa zu spät.

    Theoretisch wäre es ja noch möglich jemanden zu verpflichten, der aktuell vereinslos ist.
    Da gibt es vielleicht noch einen…?

    • Clemens sagt

      Guirassy klingt als in Köln gescheiterter Ex-Buli Spieler und Gelegenheitsknipser in der Ligue 1 ein wenig nach einer Notlösung. Andererseits ist das Risiko zumindest finanziell überschaubar. Der VfB muss das 2 Mio EUR Gehalt des Spielers tragen (ggf. noch eine geringe sechstellige Leihgebühr), anschließend hat der VfB eine Kaufoption (hoffentlich keine Kaufpflicht) im niedrigen zweistelligen Millionen Bereich. Und vielleicht blüht der Spieler in unserem Umfeld ja auch überraschend auf? Auf jeden Fall herzlich Willkommen, Serhou.

      Dass für die Innenverteidigung kein Spieler mehr verpflichtet wurde irritiert mich. Medic war zu teuer, aber was ist mit Axel Zagadou (vertragsfrei)? Könnte da was gehen?

  3. Clemens sagt

    Oje, Andreas. Lieben heißt loslassen, das durften wir vermutlich alle früher oder später lernen. Aber diese Affen-Liebe bzgl. Sosa kann ich nur zu gut nachempfinden, hatte ich zuletzt bei Carlos Mané. Eine tolle Entwicklung hat Sosa bei uns genommen und da geht vermutlich auch noch mehr. Die WM im Winter ist das Schaufenster, das seinen Abgang sehr wahrscheinlich macht. Also genießen wir die restlichen Spiele mit ihm im Dress mit dem roten Brustring.

  4. @abiszet sagt

    @Konrad
    Bei Gonzo schwankte ich immer ;-) Sein suboptimaler körperlicher Zustand hat bei Borna wohl eine Rolle gespielt, die WM sicher auch (Sasas Österreicher sind zB nicht qualifiziert).

    Nachdem SM auf alles vorbereitet ist, schafft er es aber seit dem Abgang von Kempf nicht, einen vierten IV zu verpflichten. Das kann noch zum Problem werden.

    @Clemens
    Jaaaa, bei Carlos Mané ging es mir genauso!
    Siehe hier: https://vertikalpass.de/der-mann-der-sich-fuer-den-vfb-kaputt-machte/

    • Konrad sagt

      Ich weiß, bei Gonzo lagen wir nicht immer auf einer Wellenlänge. Sein Tor gegen den HSV wird immer einer meiner “Lieblinge” bleiben.

      Das mit dem IV sehe ich genauso. Hatte mich sehr auf den St. Pauli Mann gefreut. Sasa hat viel mit seinem Getue blockiert. Ob das rechtlich möglich ist, weiß ich nicht, aber als Verein würde ich eine interne Deadline in den Vertrag setzen. Er ist schon im Trainings-lager lustlos rum gelaufen, das musste Mannschaft, Kaderplaner und Trainer jetzt sehr lange “ertragen”.

      Rino wollte einen kleineren Kader, das war ihm wichtig. Einerseits Erfolg haben und andererseits Spieler entwickeln ist wahrscheinlich (wie wir ja schon angesprochen hatten)
      nicht so ganz einfach. Dass Sven einen “älteren Spieler” holt ist ihm sicher nicht ganz leicht gefallen… natürlich ist es kein Wow der Gefühl, aber immerhin.

      Die Defensive macht mir Sorgen, Ata ist ja weiterhin “schwebend” – irgendwas sollte noch passieren…

  5. drhuey sagt

    Zagadou finde ich sehr interessant. Leider sehr verletzungsanfällig, aber hat in der Dreierkette beim BVB gut funktioniert. Hat etwas den Hang zum Bruder Leichtfuss, dennoch sicher eine Überlegung wert. Zumal wir mit IVs und Dreierkette keinen in peto haben. Das kann schnell zu einem Problem werden.

  6. Ronny sagt

    Den letzten großen Stich ins Herz gab es bei mir, als uns Khedira für ein Nasenwasser verlassen hat, wenn man bedenkt was heutzutage deutsche Nationalspieler kosten. Außer Zagadou wäre noch Salif Sane vereinslos, den Schalke wohl nicht mehr bezahlen konnte, aber keine Ahnung ob der noch die entsprechende Fitness mitbringt für die Bundesliga.

  7. Konny sagt

    Um passende Worte zum heutigen Spiel zu finden beneide ich Euch wahrlich nicht…
    Mit das war nix ist wahrscheinlich das Meiste gesagt. Bayern muss mal wieder gegen uns gewinnen, vielleicht stimmt dann ausnahmsweise mal mein Tipp. Heute lag ich mit 4:1 für
    uns wieder krass daneben… 🙈 nach dem Führich Tor dachte ich noch, heute ja heute…

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