Zum ersten mal seit April 2017 endlich mal wieder ein echtes Derby! Und das mit sportlichen Vorzeichen, die einen Sieg für den VfB nicht nur aus Prestigegründen unerlässlich machten: Nach vier Niederlagen aus den letzten fünf Spielen waren die drei Punkte gegen den KSC dringend nötig.
Derby bedeutet natürlich auch “Hochrisikospiel”. Und wer das nicht wusste, der merkte es spätestens an der Polizeipräsenz auf dem Weg zum Stadion.
Noch spektakulärer als Wasserwerfer und Co. war allerdings die Choreo, die die Cannstatter Kurve vor dem Anpfiff zauberte und damit die Helden vergangener Tage feierte. Leider blieb es das einzige Highlight der ersten Halbzeit, aber nochmals: sensationell!
Und auf der anderen Seite? Da waren die unteren Reihen des Gästeblocks erstaunlicherweise frei geblieben und noch erstaunlicher: Auch die Reihen darüber leerten sich. Grund dafür: Die Polizei hatte einen kollektiven Platzverweis gegen die aktive Karlsruher Fanszene ausgesprochen, die daraufhin schon vor dem Anpfiff die Heimreise antreten musste.
Nachdem Fahnen und andere Fanutensilien bereits im Vorfeld untersagt worden waren, machte der KSC-Fanblock ohne die Ultras einen traurigen Eindruck. Ihre Mannschaft spielte quasi von Beginn an in Unterzahl, weil der Support fehlte.
Aber sind wir ehrlich: Die Choreo und die Blockräumung waren so ziemlich das einzige, an das man sich in der ersten Halbzeit erinnern wird. Denn das Spiel war schlichtweg langweilig. Ernsthafte Torchancen? Fehlanzeige! Einziger Lichtblick: Wataru Endo, der völlig überraschend im zentralen defensiven Mittelfeld auflief und dort schlichtweg überragend spielte: Gefühlt jeder zweite Ball landete bei ihm und bei jeder guten Aktion fragte man sich, warum er bislang auf der Bank versauerte?
Trotzdem ging es torlos in die Halbzeitpause eines Spiels, das sich so gar nicht nach Derby anfühlte. Im Gegenteil: Es war teilweise erschreckend leise. Das änderte sich aber in der 47. Minute. Nach einem schlimmen Fehlpass von Kapitän Kempf kamen die Karlsruher frei vor das Stuttgarter Tor, trafen aber nur den Pfosten. Natürlich, denn schließlich hatte Tim Walter einen Sieg ohne Gegentor angekündigt.
Fehlte nur noch ein Treffer auf der anderen Seite. Und den besorgte Förster in der 60. Minute: Nach einer Ecke traf er erst den am Boden liegenden Kempf, der unfreiwillig zurücklegte und so das 1:0 ermöglichte. Was für ein geiles Kacktor!
Wider Erwarten schaffte es der VfB im Derby light auch endlich mal, den zweiten Treffer nachzulegen und so den Deckel auf die Partie zu machen. Nach einem schönen Angriff und einem überlegten Abschluss von Orel Mangala stand es nach 75 Minuten 2:0. Was sollte jetzt noch passieren?
Doch irgendwie lief das alles viel zu glatt und zu sauber für ein Derby. Dachte sich auch Marc-Oliver Kempf in der 87. Minute und holte die unnötigste Blutgrätsche der jüngeren Fußballgeschichte heraus. Das Resultat: die vermutlich verdienteste rote Karte aller Zeiten. Und Fans und Mannschaftskollegen so:
Doch zum Glück konnte der KSC kein Comeback mehr starten. Im Gegenteil: Mit dem Schlusspfiff erzielte Al Ghaddioui sogar das 3:0. Das Gefühl nach Schlusspfiff war jedoch eher große Erleichterung statt hemmungsloser Derbysieg-Euphorie. Schade eigentlich. So bleibt nur festzuhalten: Endo gut, alles gut.
Unseren Text zum Spiel findet ihr hier.
Die Fußballfibel ist kürzlich erschienen und erzählt die Geschichte des VfB Stuttgart anhand des 19. Mai 2007. Alle Infos zum “Vertikalbuch” findet ihr auch hier.
Aus dem ersten Abschnitt ebenfalls in Erinnerung: Santis Fallrückzieher und Gonzalez’ Seitfallzieher ans Außennetz. Oder habt ihr die komplette erste Hälfte auf Endo und den leeren Karlsruher Block geschaut?
Ebenfalls könnte man erwähnen, dass der KSC nicht eine einzige ernsthafte Tormöglichkeit hatte. Fußball ist mehr als eine dauerhafte Aneinanderreihung von spektakulären Szenen – da schießt mir das VertikalGIF etwas am Ziel vorbei und fokussiert sich zu sehr auf die ironische Interpretation des Spiels.