Es ist ein bisschen ungerecht gegenüber Svonimir Soldo und Pavel Pardo. Gegenüber Carlos Dunga, Srecko Katanec und Roland Hattenberger, gegenüber VfB-Legende Guido Buchwald sowieso, der lange im defensiven Mittelfeld, spielte, auch gegenüber Jürgen Hartmann, der einst sogar gegen Diego Maradonna im direkten Duell antrat. Gegenüber William Kvist weniger, der beim VfB eher unglücklich agierte und dafür gegenüber dem unermüdlichen Zwieikampfmonster Serey Dié. Würde es im Moment eine Umfrage unter VfB-Fans geben, wer der beste Sechser aller Zeiten beim VfB war, Platz 1 für Wataru Endo wäre keine Überraschung.
Manche nennen ihn den „Bodyguard, der Staub saugt“ oder „Den Raumschließer“. Wir haben die Endokratie ausgerufen und ihn den Endonator genannt. Dabei ist er kein draufgängerischer Superheld, sondern eher ein introvertierter und zurückhaltender Typ mit einem ausgleichenden Charakter. Er ist immer dort, wo man ihn braucht. Um Schnittstellen zu schließen, Passwege zuzustellen oder einfach mit einem seiner vier Beine den Ball zu erobern. Darin ist er ebenso versiert wie in der Fähigkeit, den Ball zu behalten. Oft sieht er sich beim Pressing einer Überzahl an Gegenspielern gegenüber, ohne dass ihn das aus der Ruhe bringt.
Er hat eine Schläue, mit der er in komplizierten Situationen clevere Lösungen findet. Mit einem defensiveren Nebenmann auf der Doppel-Sechs sucht Endo die Vertikalität, mit Pässen, aber auch mit eigenen Laufwegen. Dass er schießen kann, weiß Yann Sommer seit dem 33. Spieltag (mindestens Tor des Monats!). Außergewöhnlich sind Endos Fähigkeiten beim Kopfball. Bei seinem Debüt im November 2019 gegen den KSC – nachdem ihn Trainer Tim Walter ein halbes Jahr ignorierte und sich Mario Gomez den Mund fusselig redete, dass Endo in die Startelf gehört – gewann er Kopfballduelle gegen zwei Köpfe größere Gegner. Und das war keine Ausnahme, aus 83 Kopfballduellen ging er in den 33 Bundesligaspielen dieser Saison als Sieger hervor!
Womit er einer jungen Truppe am meisten Halt gibt, vor allem seinen defensiven Nebenspielern Mangala, Ahamada oder Karazor: er liefert, jeden Spieltag. Zuverlässig, ohne große Formschwankungen, auch wenn ihm gegen Endo (sorry, geht gleich wieder) der Saison ein wenig die Luft ausging. Sein Spielverständnis und seine Antizipationsfähigkeiten sind außergewöhnlich, seine Lust auf Zweikämpfe einmalig: 476 gewonnene Duelle stehen bei ihm auf dem Zettel, damit ist er die Nummer 1 in der Bundesliga. Der Japaner entwickelte sich in dieser Saison zum Vorbild und Leader, der nicht mit Worten führt, sondern mit Leistung. Als Belohnung trug er bei einigen Spielen die Kapitänsbinde, die vor ihm ebenfalls Soldo, Dunga, Pardo und Buchwald trugen.
Danke auch an Orel Mangala, den wir fast mit einem Text gefeiert hätten (siehe sonst hier). An Naouirou Ahamada, der sein großes Talent andeutete, an Luca Mack und Ata Karazor (wir lieben seine Lässigkeit).
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Philipp Förster: Der Spalter mit dem Schnauzer
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