“Spiel mit Spektakel-Garantie”, “Gipfel für Genießer” oder gar “der neue Klassiker”: Die Erwartungen an das Duell zwischen Meister und Vizemeister hätten nicht höher sein können. Zurecht, schließlich hatten die letzten Begegnungen stets höchsten Unterhaltungswert. Diesmal wurde es allerdings eine Fußballparty der anderen Art.
Nach den Siegen in Turin sowie gegen Kiel und Kaiserslautern schickte Sebastian Hoeneß im Topspiel auch seine vermeintliche Top-Elf auf das Spielfeld – inklusive El Bilal im Sturm und Anrie Chase in der Innenverteidigung. Und letzterer stand gleich nach fünf Minuten im Fokus: Boniface wollte einen gefährlichen Vertikalpass auf Wirtz spielen, doch der VfB-Youngster bekam den Ball versehentlich an den Arm. Schiedsrichter Siebert ließ zum Glück weiterlaufen. Hätte er auf Handspiel entschieden, hätte es vermutlich auch die rote Karte für Chase gegeben.
Aber kaum hatten die VfB-Fans den ersten Beinahe-Schock überwunden, gab es den nächsten: Jamie Leweling musste bereits nach acht Minuten ausgewechselt werden, nachdem er Probleme im Oberschenkel gespürt hatte. Für ihn kam Fabian Rieder in die Partie und Sebastian Hoeneß musste in Rekordtempo seinen Matchplan überarbeiten.
Vielleicht hätte Hoeneß auch defensiv wechseln könnenn, denn in der Folgezeit entwickelte sich ein Spiel auf ein Tor mit zahlreichen hochkarätigen Chancen für Bayer Leverkusen. Doch die Stuttgarter Abwehrspieler gaben alles und wenn doch ein Ball auf das Tor kam, stand da immer noch der überragende Alex Nübel.
Nübelparaden, Lattentreffer, Abseitstor: Dass Leverkusen ohne Treffer in die Halbzeit ging, war eigentlich ein Wunder. Aber wie sah es denn um die Angriffbemühungen des VfB Stuttgart aus?
0,0 zu erwartende Tore sprachen eine klare Sprache. Dennoch wechselte Sebastian Hoeneß nicht, sondern schickte die gleichen elf Spieler auch in der zweiten Halbzeit auf das Feld. Und die hatten in der 48. Minute wieder etwas Glück, als Vagnoman den Ball nach einer Leverkusener Ecke aus kürzester Distanz an den Arm bekam und die Leverkusener Spieler vehement Handelfmeter forderten, den ihnen Siebert nach Absprache mit dem VAR zurecht verweigerte.
Anschließend begann die vermutlich heißeste Phase des Spiels: Erst eine glückliche Schiedsrichterentscheidung zugunsten des VfB in der 51. Minute, dann ein Pfostenschuss von Boniface in der 53. Minute, dann endlich die erste Chance für den VfB durch Deniz Undav in der 61. Minute, in der 66. Minute die allergrößte Chance für Leverkusen durch den chronisch abschlussschwachen Frimpong und in der 73. Minute schließlich ein Eins-gegen-Eins-Duell zwischen Boniface und Nübel, das der Stuttgarter Keeper für sich entschied.
Doch je länger das Spiel dauerte, desto gefährlicher kam auch der VfB vor das Bayer-Tor. Und Leverkusen? Das Team von Xabi Alsonso scheint sein Mojo aus der vergangenen Saison verloren zu haben, als stets so lange gespielt wurde, bis der Siegtreffer für Bayer fiel. Und jetzt: Keine späten Tore, keine fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen pro Leverkusen und eine sichtbare Genervtheit angesichts der Stuttgarter Resilienz. Und so reicht die nach eigenen Aussagen “beste Saisonleistung” nicht, um dem VfB auch nur einen Treffer einzuschenken. Weil das Team von Sebastian Hoeneß taumelt, aber nicht fällt, ein bisschen Glück hat, aber vor allem ein großes Herz, und sich mit den talentfreien Tugenden einen Punkt beim Meister erkämpft.
Jetzt heißt es ab in die Eistonne bis Mittwoch, denn dann wartet mit Atalanta Bergamo die nächste große Aufgabe in der Champions League. Und wir erinnern uns gerne zurück: Die Italiener hatten im Finale der Euro League relativ wenig Probleme damit, Leverkusen drei Treffer einzuschenken.
Zum Weiterlesen:
Unser Spieltagstext feiert natürlich Nübel Nübel Nübel, sieht aber auch neue Qualitäten des VfB.