Es ist wirklich bitter, dass ich mich nicht wie Kollege Geiger für den Mädelsflohmarkt interessiere oder für den sensationellen Stuttgarter Bürgerhaushalt. Ich nehme mir den VfB immer (noch) zu Herzen, obwohl er mir auf die Nieren geht: Erst ein unterirdischer Auftritt gegen Fortuna Düsseldorf, dann eine schlaflose Nacht und schließlich die Erlösung: Markus Weinzierl sitzt auch gegen Leipzig auf der Bank. „Ohne Wenn und Aber!“ (Reschke-Voice). Denn es ist schließlich nicht alles schlecht: Als Weinzierl den VfB von Tayfun Korkut im Herbst übernahm, stand der Club auf dem letzten Tabellenplatz. Und jetzt? Schon Sechzehnter, hey! Lasst den Mann einfach in Ruhe arbeiten, dann ist die Brustring-Truppe Ende 2020 mindestens auf Platz 12 angelangt – allerdings in der zweiten Liga.
Markus Weinzierl ist seit heute nur noch ein Trainer auf Abruf. Eine lahme Ente, ein Walking Dead. Oder glauben die VfB-Verantwortlichen wirklich an ein Wunder? Denn nichts anderes wäre es, wenn Weinzierl mit diesem Sauhaufen von Mannschaft gegen Leipzig den Turnaround schafft. Oder ist es nicht vielmehr so, dass eine Freistellung Weinzierls das Eingeständnis von Michael Reschke und Präsident Wolfgang Dietrich gewesen wäre, selbst auf ganzer Linie versagt zu haben? Ist es also tatsächlich so, dass selbst in dieser prekären Situation die Verantwortlichen zuerst an sich denken und dann an den VfB? So scheint es jedenfalls. Bitter! Denn alle Beteiligten waren sich nach dem Debakel in Düsseldorf einig: Es muss sich etwas ändern! Und es ändert sich … nichts.
Die Entscheidung offenbart die Hilflosigkeit und die pure Angst – in erster Linie um sich selbst. Es ist typisch VfB, so inkonsequent zu handeln. Weil Weinzierl aber auch nicht das klare Vertrauen ausgesprochen wurde („unser Trainer bis Ende der Saison!“), wird der VfB mit dieser halbherzigen Entscheidung scheitern. Weinzierl das Spiel gegen Leipzig zu geben, ist eine halbgare Entscheidung. Das durchschauen nicht nur die Fans auf einen Blick, sondern auch die Mannschaft, die clever ist – leider nur außerhalb des Spielfelds. Denn sie weiß spätestens jetzt, dass der Trainer nur weitermachen darf, weil die Entscheidungsträger ihre Haut retten wollen.
Eine Entlassung Weinzierls wäre zuallererst ein Scheitern von Sport-Vorstand Michael Reschke. Es wäre der dritte Trainer, der seit seinem Amtsantritt im August 2017 gehen müsste. Und da das Eingeständnis von eigenen Fehlern nicht seine größte Stärke ist, verschiebt Michael Reschke das Problem auf nächste Woche. Dann vermutlich nach einer 0:4-Klatsche gegen Leipzig (mit Hattrick von Timo Werner). „Zuwarten“ nennen das Mediziner und sie sagen es, wenn sie nicht wissen, was sie tun sollen.
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— Vertikalpass (@vertikalpass) 11. Februar 2019
Aber vielleicht hat bis nächste Woche doch Jürgen Klinsmann zugesagt und man hat sich über die Bedingungen geeignet. Die da lauten: “Klinsi” hat das alleinige Sagen im sportlichen Bereich, Reschke wird freigestellt und der ehemalige deutsche Nationaltrainer hat die Zusage „den ganzen Laden auseinander zu nehmen“. Er hätte also auch die Macht, die Herren Dietrich und Konsorten abzuschaffen: Wolle raus, Buddha rein sozusagen. Wobei daran vermutlich selbst Jürgen Klinsmann scheitern würde, obwohl er es einst schaffte, eine einigermaßen stabile Abwehr mit Frank Fahrenhorst zu formieren.
Es spricht im Augenblick nichts dafür, aber wenn es Wunder gibt, dann im Fußball. Und womöglich hat Ralf Rangnick noch ein Herz für den VfB und verliert nächste Woche. Ja, ich weiß, ein unrealistischer Wunsch. Aber mit Träumen beginnt die Realität.
Und, wer weiß: Wenn Präsident, Sport-Vorstand und Spieler aus purem Eigennutz einfach mal ihr Bestes geben: Vielleicht fällt dann doch noch der direkte Klassenerhalt für den VfB Stuttgart heraus – quasi als Abfallprodukt.
Ein guter Kommentar des Tagesspiegel zur derzeitigen Situation des VfB findet sich hier.
Heiko Hinrichsen nennt die Weiterbeschäftigung Weinzierls in seinem Kommentar “Akt der Verzweiflung”
Und der Kommentar, den Florian Regelmann für SPOX schreibt, hätte in dieser Form eigentlich auch hier stehen könnte.
Danke für die Erinnerung, dass eine deutsche Nationalmannschaft mal gegen Brasilien mit Frank Fahrenhorst, Robert Huth und Andi Hinkel in der Abwehr auflief.