Mitgliederverarsche, Union-Trauma, Aufstieg, Corona, Legendo in der letzten Minute, Relegation: Nach all’ der Scheiße gehts jetzt wirklich auf die Reise. Nach Borussia Dortmunds 1:0 gegen PSG reicht auch der fünfte Platz, von dem der VfB nicht mehr zu verdrängen ist. Bedeutet: Champions League, Hymne, große Bühne.
Der VfB schaffte dies im Gegensatz zu den letzten überraschenden deutschen Champions League-Teilnehmern nicht mit Kratzbürstigkeit, Spielglück und Konterfußball, sondern mit Kreativität. Mit Schönheit, mit einer Spielidee, die weit über Stuttgarts Grenzen hinaus begeistert. Der Höhenflug begann für den Club und die Mannschaft genau zu dem Zeitpunkt, als Sebastian Hoeneß im April 2023 das Traineramt übernahm und eine Spielweise fand, die zum Kader passt. Er hat ein Kunstwerk geschaffen, das gemacht ist dafür, international ausgestellt zu werden. Die Süddeutsche Zeitung nennt es eine “inzwischen stabil abrufbare Kunstform, sich mit kontrollierten und dann plötzlich scharfen Pässen durch Räume zu kombinieren“. Trotz Magischem Dreieck, trotz Junge Wilde, trotz Meisterschaft 2007, es könnte der feinste Fußball in der Stuttgarter Vereinsgeschichte sein.
Wer erinnert sich noch an das letzte internationale Spiel?
Rijeka 2013, ausgeschieden in den Europa League Play-offs nach einem 2:2 im Neckarstadion vor 30.000 Zuschauern. In der Abwehr spielten Daniel Schwaab, Benedikt Röcker, Antonio Rüdiger und Artüüür Boka. Auf der Trainerbank saß Thomas Schneider, der kurz zuvor Bruno Labbadia ablöste. Das konnte man wirklich nur besoffen sehen.
Wer erinnert sich noch an das letzte Champions League-Spiel?
Barcelona 2010, 4:0-Abreibung im Camp Nou. Immerhin bekamen wir sie von Leo Messi verpasst. Im VfB-Sturm rumpelte der Russe, in der Abwehr versuchte sich Georg Niedermeier, stets bemüht, aber erfolglos.
Weitaus magischer war der Champions League Auftritt des VfB Stuttgart in der Saison 2003/2004. Damals zu Gast im Neckarstadion: Die Übermannschaft aus Manchester. Damals war das nicht City, sondern United. Eine absolute Weltelf mit dem jungen Christiano Ronaldo, prime Ruud van Nistelrooy, Ryan Giggs, Rio Ferdinand und, und, und. Es war eines dieser Spiele, die man nie wieder vergessen wird. Nach dem Doppelschlag von Szabics und Kuranyi zu Beginn der zweiten Halbzeit, van Nistelrooys Anschlusstreffer in der 67. Minute und Meiras verschossenenem Elfer in der 79. Minute zitterten sich 50.000 kollektiv zum Heimsieg und lagen sich nach dem Schlusspfiff in den Armen.
Sie kommen von überall. pic.twitter.com/aQlKUoQi6h
— Vertikalpass (@vertikalpass) May 2, 2024
In der bis dato letzten Champions League-Mannschaft spielten so illustre Akteure wie Stefano Celozzi, Timo Gebhard und Zdravko Kuzmanovic mit Legenden wie Alex Hleb, Sami Khedira, Matthieu Delpierre und Cacau. Wer beim ersten Auftritt nach 14 Jahren dabei sein wird, ist dagegen unklar. Viele Baustellen hat Sport-Direktor Fabian Wohlgemuth zu bearbeiten. Die Leihspieler, die bei anderen Vereinen begehrten Spieler, die verliehenen Spieler, die Kader-Breite und -Tiefe erhöhen, vor diesen Herausforderungen steht der Bald-Sport-Vorstand. Dabei nicht in die Champions League-Falle zu tappen – im Duden steht als Erfinder dazu der VfB – wird die große Kunst sein.
Kommt es zum Spannungsabfall weil jetzt die Champions League-Teilnahme sicher ist?
Das ist nicht zu befürchten, dafür steht alleine schon Hoeneß mit seiner Ernsthaftigkeit. Und die Mannschaft will zocken, will Spaß haben, sie wird die letzten drei Spiele nicht abschenken. Gegen Bayern München schon gar nicht. Da ist noch eine Rechnung offen, nachdem der VfB im Hinspiel chancenlos war. Wir hätten nichts dagegen, wenn es so ausgeht. Außerdem wäre der erste Sieg Heimsieg gegen die Bayern seit 2007 ein würdiger Abschluss dieser historischen Saison.
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Bilder: Jasper Juinen/Getty Images (Aufmacher), Daniel Kopatsch/Bongarts/Getty Images (Artikelbild)
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