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„Immer weiter, immer Walter!“

Wer destruktive Teams wie St. Pauli knacken will, der braucht Tempo, schnelle Kombinationen und hohe Passqualität. Wenig davon war gegen die Kiez-Kicker zu sehen. Symptomatisch Mario Gomez, der bei seiner Auswechslung kaum geschwitzt hatte, weil er kaum im Spiel war, kaum Szenen hatte, in denen er sich auszeichnen konnte. Der Mann braucht Bälle, die er verwerten kann und er bekam sie nicht.

Nicolas Gonzalez wäre mal wieder die tragische Figur gewesen. Frei vor dem Tor. Die eigene Top-Chance durch technische Unzulänglichkeit und Nervosität kaputt gemacht. Aufregung strong, remember Relegation gegen Union Berlin. Nicht wenige wollten den jungen Argentinier zum Teufel schicken. Aber dann kam die Nachspielzeit. Borna Sosa mit einer seiner wohltemperierten Willy-Sagnol-Gedächtnis-Halbfeldflanken, Gonzalez steht knapp nicht im Abseits (ausgerechnet!) und schießt das entscheidende 2:1. Martin Harnik hätte den Ball übers Tor geschossen. Dass der VfB so spät die Entscheidung erzwang liegt daran, dass die Fanta4-Third-Trikot-Träger immer weiter gemacht haben nach dem Oliver Kahn-Mantra: „Immer weiter, immer Walter!“ Denn Trainer Tim Walter glaubt ebenso immer und überall an den Sieg wie der ehemalige Nationaltorhüter. Mentalität schlägt Spielqualität. Glaube schlägt Spielverlauf.

Die drei Punkte sind ok, aber die Spielanlage des VfB gegen St. Pauli war ganz und gar nicht ok, denn dieses Spiel ist so etwas wie die Blaupause für die Saison: Tiefstehender Gegner, hochmotiviert, auf seine Konterchance wartend. Da muss der VfB eine spielerische Lösung finden, gerade mit einem von Sven Mislinbowski so hochgezüchteten Kader. Ohne Tempo geht es nicht. Es braucht dafür Spieler mit mehr Handlungsschnelligkeit als Gonzalo Castro und Mario Gomez, schnellere Akteure als Santi Ascacibar und Ata Karazor. Es braucht mehr Ideen, mehr Tempo, mehr Kombinationsspiel. Da reicht es nicht, dass Daniel Didavi überall auf dem Platz zu finden ist, ohne dass er Anspielstationen findet. Spielzüge, die VfB-Fans verzückten, sah man gegen Hannover und Heidenheim, aber nicht mehr in den letzten beiden Partien. Bring it back!

Stattdessen wieder wie in Rostock ein “Arschlochspiel”, bei dem der Sieg wichtiger ist als die Spielanlage? Ja klar! Tim Walter braucht Siege und Erfolge, um weiter glaubwürdig zu bleiben, um Ruhe im Team und im Club zu haben. Aber es muss auch klar sein, dass der VfB mauernden Gegnern wie St. Pauli auf Dauer mehr als nur Glück und Mentalität entgegen setzen muss. Doch trotz der nervösen Stimmung in der ersten Halbzeitist klar: die Fans werden Geduld mit Walter und dem Hitzlintat-Team haben. Die Mannschaft leistet ihren Beitrag dafür – auch nach Abpfiff. Aber Siege sind Baldrian für die strapazierten Nerven des Anhangs.

Der VertikalGIF zur Partie findet ihr hier!

Bild: imago Images / Michael Weber

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6 Kommentare

  1. Sebastian sagt

    Gehe durchaus konform mit der Analyse.
    Was mit allerdings zu denken gibt, dass kein Tor bisher mit dem waltierschen Fußball herausgespielt worden ist.
    Gegen Hannover und Heidenheim hatte man zwar gute Chancen auch herausgespielt (was an der gelb-roten Karte gegen Hannover und dem mitspielen der Gegner geschuldet war), allerdings sind die Tore in diesem Spielen durch Flanken bzw. Standards gefallen, wie auch gegen Rostock und jetzt am Wochenende gegen St. Pauli.
    Auch das Gegenpressing nach Ballverlusten ist deutlich verbesserungswürdig, da wir meiner Meinung viel zu einfach in Konter laufen und bei kaltschnäuzigeren Gegnern statt 7 Punkten bisher auch durchaus nur mit 3 Punkten aus dem Auftaktsieg gegen Hannover dastehen könnten.
    Für mich bedeutet das, dass Walter seine Taktik anpassen muss, wenn er mit dem Ochsensturm spielen möchte, da Gómez und Ali G. technisch zu limitiert und langsam um sich oft in 1 zu 1 Situationen durchzusetzen. Da benötigt es emsige und quirlige Spieler wie Gonzalez.

    Ich denke aber, dass unser Saisonauftakt geglückt ist und man darauf aufbauen kann und Walter hoffentlich nicht lernresistent ist und aus solchen Spielen lernt.

  2. drhuey sagt

    So sehe ich das weitestgehend auch: würde so weit gehen, dass Du für Ballbesitzfussball 11 bewegliche und geistig flexible Spieler brauchst. Der Ochsensturm steht für den Aufbau naturgemäß nicht zur Verfügung und warum Walter den Karazor überhaupt aufstellt erschließt sich mir nicht. Das ist nicht ein Schlüsselspieler, der eine Schwächephase durchmacht. Er hat ganz offensichtlich geistig und körperlich Geschwindigkeitsdefizite, die uns in der Zentrale zu viele Ballverluste kosten. Und mit 3 Mann weniger verfiel die Mannschaft zu oft in alte Muster. Aber wir haben ja Alternativen.

  3. drausvomLande sagt

    Bitte nicht wie immer abheben

    Wieviele Präsidenten, Sportvorstände, Manager, Trainer und Spieler hatten wir die letzten 10 Jahre?
    Viele von denen haben Verein und Mannschaft “umgedreht” und anfänglich Erfolge erreicht.
    Viele von denen haben uns schlussendlich von einem Misserfolg in den nächsten getrieben.

    Spannender als das Saisonergebnis ist die Führungsgeschichte, geht man hier auch endlich einmal neue Wege oder setzt sich im Hintergrund der Freundeskreis wieder durch, kommt das Amt wieder zum Mann oder kommen endlich einmal Personen von sich aus?

    Bleibt da bitte dran, das ist mittel- und langfristig extrem wichtiger, zumal wir dieses Jahr ja eh nicht aufsteigen, meine Meinung …

  4. Mozy sagt

    Ich weiß nicht warum, ich weiß nicht was es ist, der Walter gefällt mir nicht. Nichts von dem was er sagt, sehe ich auf dem Platz. Die erste Halbzeit gegen Pauli sah aus wie jüngstes Korkut/Weinzierl-Gekicke. Die zweite lief besser an, weil Pauli aber auch stark nachgelassen hat. Auch seine Art auf Pressekonferenzen wirkt super unsymphatisch. Du bist mit ihm oder gegen ihn als Journalist. Und wenn Du gegen ihn bist, bekommst Du das auch zu spüren. Der Typ wirkt super cholerisch und ich weiß nicht was passiert, wenn es mal nicht so glücklich für seine Mannschaft verläuft, wie bei den letzten 3 Spielen.

  5. diewogwennawellet sagt

    Man erzählt sich die Geschichte, daß Napoleon -einst auf der Suche nach einem General – bezüglich des ihm Empfohlenen fragte: „Hat er denn auch Fortune?“

    N.Gonzales hat-so leid es mir tut-keinerlei Fortune (Spielglück, Dusel-call it what you want)

    Er rannte -typisch Spaßkasper-bereits letzte Saison in Höchsttempo wie Falschgeld über den Platz, schließlich tragische Krönung seiner Leistung schließlich seine Abseitsstellung im Relegationsrückspiel.

    Es war hinterher presseseitig nirgendwo eindeutig zu lesen, aber diese völlig absurde Fehlleistung (die wirklich nur einem Spaßkasper gelingt) hat den VfB in allerletzter Konsequenz den Abstieg gekostet.

    Vondemher, eingedenk der PK zum Aue-Spiel: Schmerzgrenze eines Verkaufs? Was soll noch mehr wehtun? Abgeben, hergeben, herschenken, allerspätestens, wenn tatsächlich der sofortige Wiederaufstieg gelänge. Denn Erstligaformat hat er (bei allem Respekt) nicht.

  6. @abiszet sagt

    @Sebastian
    Ich denke nicht, dass Walter seinen Fußball anpasst, so war es jedenfalls zu lesen.
    Im Moment gibt es durchaus Baustellen: Karazor hat noch nicht seine Form gefunden, Castro ist mE für den Walter-Fußball zu undynamisch (spielerisch aber sehr gut geeignet) und dann die Schiwerigkeiten beim Tore schießen – das sehe ich wie Du. Ob Gonzalez mit seiner Hibbeligkeit die Lösung ist? Wobei kurze Ecken zum Repertoire von Walter gehören. Und die beiden Sosa-Flanken waren direkt nach Ballgewinn, als früh gepresst wurde.

    @HerrDoktor
    Ich würde über Karazor nicht abschließend urteilen. Aber in der Tat ist es so, dass mit den Ochsen das Kombinieren schwer wird. Mit Gonzalez kannst allerdings auch keinen feinen Ball spielen …

    @drausvomLande
    Abheben? Ein bisschen Freude an ein paar Siegen wird ja noch erlaubt sein, oder? Wir können es niemand Recht machen: Freude ist gleich Abheben/Hochjubeln. Kritisieren wir, heisst es, wir würden auch immer und überall bruddeln und ein Haar in der Buchstabensuppe finden. Aber wer will es auch allen Recht machen? ;-)

    Spannend sind auf jeden Fall die offenen Führungspositionen beim VfB. Und interessant auch, dass der VfB so verdächtig still ist. Womöglich wird das bisschen sportlicher Rückenwind genutzt, um heimnlich still und leise die Kandidaten auszuklüngeln. Öffentlich haben sich zwei interessante Männer (Vogt, Klopfer) positioniert, vom VfB werden sie wohl ignoriert.

    @Mozy
    Jedem seine Meinung. Walter hat in der PK eine Art, die manchmal aggressiv wirkt. Auf kritische Fragen antwortet er oft mit Gegenfragen, stinkig wird er mE nur, wenn er etwas für falsch oder unsachlich hält (wie die Frage nach Kobel vor ein paar Wochen). Positiv gesehen, stellt er sich vor seine Spieler. Die ewig gedrechselten Phrasen will ich auch nicht mehr hören, da ist Walter erfrischend anders. Dass wir einem emotionalen Trainer haben, finde ich auch gut. Dass er unbequem sein kann, ist auch klar.

    @diewogwenneundsoweiter
    Es ist erstaunlich, dass Gonzalez noch da ist. In jedem anderen Verein hätte man ihn nach der Szene bei Union zum Teufel geschickt. Was aber auch klar ist – bei einem anderen Verein wird Gonzalez der Durchbruch gelingen ;-) Schaun mer mal, Walter scheint etwas in ihm zu sehen.

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