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Meine WM-Lieblingsspieler, Folge 1: Johnny Rep (1974)


In loser Folge möchte ich auf „meine Helden“ der Weltmeisterschaften 1974 bis 2010 zurückblicken. Den Anfang macht ein Holländer. Ja, ein Holländer.

Sobald ich laufen konnte, schleppte mich mein Vater ins Neckarstadion zu Spielen des VfB. Und wenn mal kein Bundesliga-Spiel am Wochenende anstand, machte er mit mir Ausflüge zu Amateurspielen, Jugendspielen, zu Spielen „Hemmedich gegen Näckedich“, wie er sie nannte und damit meinte, er hätte keine Ahnung, wer da gegen wen spielt.

An einem Sonntag vormittag 1974 hatte er die Idee, nach Sindelfingen ins Holiday Inn zu fahren, ins Mannschaftshotel der argentinischen Fussballnationalmannschaft während der WM in Deutschland. Mein Vater hatte gerne solche Ideen, meiner Mutter war es recht, sie hatte uns dann aus dem Haus, rauchte in Ruhe ihre Muratti Ambassador, trank „eine schöne Tasse starken Kaffee“ und las Hörzu.

Sindelfingen also, es war nicht viel los im Mannschaftsquartier der Südamerikaner, aber in der Hotel-Lobby sah ich all diese wilden Männer. Mit langen Haaren wie ich es aus Indianerfilmen kannte, mit Bärten wie Che Guevara, wie ich später erfuhr, sie sahen so dunkel aus, sie wirkten so frei auf mich und ich liebte sofort die himmelblauen Trainingsanzüge, ich glaube, sie waren von erima.

In Aktion sehen sollte ich die Argentinier erst einmal nicht. Wir fuhren in den Urlaub nach Jesolo und mein Vater schickte mich fast jeden Tag in eine Bar, in der WM-Spiele übertragen wurden, um dort Plätze für uns zu besetzen. Da saß ich dann und wartete und trank Unmengen Cola und aß sehr süßes Gebäck. Menschen sprachen in einer fremden Sprache mit mir und strichen mir über den Kopf. Eines Tages lief auf dem Fernseher, der wacklig unter der Decke hing, Argentinien gegen Holland. Und die Holländer hatten mit ihren orangenen Jerseys die noch viel schöneren Trikots. Sie waren den Argentiniern total überlegen, „total football“ spielten die, wie ich heute weiß. Ich fragte meinen Vater, wer diese Spieler seien und er kannte manche, Cruyff, Neeskens, Haan und Krol hießen sie. Als das 3:0 fiel, hatte ich einen neuen Liebling: Nach einer Flanke von Cruyff flog ein Spieler heran und netzte mit einem Flugkopfball ein. Er hatte schöne lange Haare und strahlte übers gesamte Gesicht, sympathisch, verschmitzt, lausbubenhaft. Das Trikot hing ihm aus der Hose, ein Symbol der Freiheit für mich. Er spielte auf der rechten Seite, tat immer ganz unschuldig und ließ dann seinen Gegenspieler lässig mit einer Körpertäuschung stehen. Mein Vater sagte, dass er Johnny Rep heißt. Vier Jahre später sah ich ihn wieder, er schoss wieder Tore bei der WM in Argentinien und ich war todtraurig, dass Holland abermals das Finale verlor.

Rep (rechts im Bild) ist mit 7 Treffern bis heute bester holländischer Torschütze bei einer WM, kürzlich machte er Schlagzeilen, in dem er gelegentliches Doping zugab („Ich habe wohl mal vor einem Europokalspiel so ein Amphetaminpillchen geschluckt“).

 

 

 

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4 Kommentare

  1. Rainer sagt

    fantastisch! Mir geht es gleich und bisher gab es niemanden, der meine Begeisterung für Johnny Rep teilte…der coolste Hund aller Zeiten: https://www.youtube.com/watch?v=sKqjbPuDT-o
    Rep und Platini zusammen in einer Mannschaft…was gäbe ich dafür, in der Zeit in St. Etienne gewesen zu sein!

    • @abiszet sagt

      Oh Danke – schön, dass Du diesen allerersten vp-Text mit meiner Jugenderinnerung gefunden hast

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