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Präsident auf Abruf?

Wird Claus Vogt der Präsident mit den größten Sympathiewerten und der kürzesten Amtszeit in der VfB-Geschichte? Hört sich absurd an, aber der VfB ist und bleibt der VfB, und eine weitere, vollwertige, Amtszeit von Vogt ist anscheinend nicht so selbstverständlich, wie man meinen könnte.

Wir sind misstrauisch geworden über die letzten Jahre. Wir Mitglieder wurden belogen und verarscht. Immer wieder wurde uns vollmundig eine Verbesserung versprochen, es gab viel Selbstlob für die optimalen Rahmenbedingungen, ausgeklügelten Konzepte und Strategien. Das alles on repeat von Leuten, die heute schon längst nicht mehr für den VfB tätig sind. Aber auch von solchen, die noch heute in Führungspositionen tätig sind. Und wir? Haben schmerzvoll gelernt, ganz genau hinzuschauen.

So gut es sportlich läuft, so sehr knirscht es ganz offensichtlich hinter den Kulissen. Es herrscht beim VfB Stuttgart ein Richtungsstreit, vielleicht sogar ein Kampf der Kulturen: Zwischen denen, die den Status Quo bewahren wollen und weiter so arbeiten wollen, wie es sich in den letzten zehn bis zwanzig Jahren “bewährt hat”. Die Ergebnisse sind bekannt und wenig überzeugend. Aber den “Bewahrern” geht’s nicht selten auch um sich selbst und vermutlich auch um den reinen Machterhalt. Und dann gibt es die, die mittlerweile im Jahr 2020 angekommen sind. Die, die den VfB für die Zukunft fit machen wollen, die sich für einen Wertewandel einsetzen, die Veränderungen herbeiführen wollen. Veränderungen, die natürlich auch schmerzhaft für einzelne sein können.

Kurz gesagt: Besitzstandsbewahrer vs. Reformer, Manndeckung vs. ballorientierte Verteidigung, Libero & Vorstopper vs. Dreierkette. Klar ist: Mit “des hämmer scho immer so g’macht!” wird der VfB nicht weit kommen. Trotzdem teilt der Richtungsstreit den VfB in zwei Lager. Das schlägt nicht nur auf die Stimmung, sondern lähmt und bremst die, die den VfB nach vorne bringen wollen.

Ganz konkret lässt sich die Kursdiskussion an einer Personalie ablesen: Claus Vogt.
Der 18. Dezember ist der Bewerbungsschluss für die Wahl des Präsidenten auf der Mitgliederversammlung im März 2021. Auch Claus Vogt muss und wird sich erneut bewerben. So will es die Satzung. Dass die Mitglieder im März seine 15-monatige Probezeit dann in eine vierjährige Amtszeit umwandeln, scheint eigentlich nur eine Formsache zu sein. Schließlich hat er in seiner Amtszeit, die sich am 15.12. jährt, vieles richtig und nur wenig falsch gemacht. Zugegeben: Viele Punkte auf seiner präsidialen Bucket list konnte Vogt noch nicht abhaken. Aber, dass unter den aktuellen Bedingungen noch keine VfB Damenmannschaften auf den knappen Plätzen in der Mercedesstraße kicken, oder mittelständische Unternehmer Geld in einen Fußballclub zwischen erster und zweiter Liga pumpen, ist unter den Rahmenbedingungen seiner Amtszeit auch verständlich.

Aber Claus Vogt hat vielleicht viel Wichtigeres bewirkt: Es hat es geschafft, dass man wieder miteinander redet. Er hat die Gräben von der Größe des Grand Canyons zugeschüttet und das Umfeld des VfBs wieder vereint. Unter ihm ist auch die Kommunikation zwischen Club und Ultras wieder aufgenommen worden, die unter Dietrich komplett eingestellt wurde. Er hat das Amt so interpretiert wie es sein sollte: als Vertreter der Mitglieder. 

Dennoch besteht die Gefahr, dass der amtierende Präsident nicht wiedergewählt wird, auch wenn sich die Mehrheit der Mitglieder weitere vier Jahre mit ihm als Präsidenten wünschen. Denn wie schon vor einem Jahr entscheidet alleine der Vereinsbeirat, wer zur Wahl steht. Und dass Claus Vogt in diesem Beirat eine klare Mehrheit besitzt, würde man zwar vermuten und sich sogar wünschen, aber dem ist eventuell nicht so. Es scheint nicht mal unrealistisch zu sein, dass der Vereinsbeirat den amtierenden Präsidenten nicht noch einmal vorschlägt, sondern zwei neue Kandidaten bei der Wahl im Frühjahr ins Rennen schickt. Möglich wird dies durch die Zusammensetzung des Vereinsbeirats: Im Moment besteht das Gremium aus acht Personen, bei einer möglichen Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende Wolf-Dietrich Erhard.

Dass der „Wahlkampf“ begonnen hat, sieht man spätestens an dem doch etwas hilflosen Versuch, Vogt über einen substanzlosen Text in der BILD Zeitung zu diskreditieren (wir berichteten).

Moment, der Beirat stellt eventuell Vogt nicht zur Wahl? Der Vereinsbeirat, über den angeblich die Mitgliederrechte gestärkt werden? Das wäre ein kompletter Witz und würde einmal mehr bestätigen, dass es nur um persönliche Eitelkeiten geht und der VfB kein Gefühl für Stimmungen seiner Fans und Mitglieder hat. Dabei geht es gar nicht darum, dass der VfB-Vereinsbeirat das Internet abschalten müsste, wenn bekannt gegeben wird, dass Vogt nicht nominiert wird. Das Windle geht vorbei.

Die Distanz der Mitglieder und Fans zum VfB aber würde wieder wachsen. Viele hatten sich in der dunklen Ära unter Wolfgang Dietrich zunehmend vom VfB entfernt, für viele war es nicht mehr „mein Verein“. Auch an Claus Vogt liegt es, dass der VfB ein bisschen näher an die Basis rückt, dass sich Vertrauen langsam wieder entwickelt. Er ist bemüht, in Kontakt mit Fanvertretern zu kommen, und er ist anscheinend derjenige, der am meisten daran interessiert, den Datenskandal sauber und gründlich aufzuklären. Das ermittelnde Unternehmen Esecon wird bei der Aufklärung jedoch nicht gerade aktiv unterstützt und hat mit dem Problem zu kämpfen, dass sich viele am Datenleak Beteiligte scheinbar an nichts mehr erinnern.

Claus Vogt scheint in nur zwölf Monaten für einige offensichtlich zu sperrig und unbequem geworden zu sein. Dabei setzt er sich für die ein, dessen oberster Repräsentant er ist: für die Mitglieder des VfB. Diese Integrität kann womöglich dazu führen, dass er in die VfB-Geschichte eingeht als der Präsident mit den größten Sympathiewerten und der kürzesten Amtszeit.

Weil Personen über ihn entscheiden, die sich für größer als den VfB halten. Sollte es tatsächlich dazu kommen, würden sie das sich langsam wieder entwickelnde Vertrauen auf einen Schlag zerstören. Sportlicher Erfolg hin oder her: Sie würden den VfB Stuttgart um Jahre zurückwerfen. Mal wieder.

Bild: imago images / Picture Point LE

Zum Weiterlesen:
Der große Graben auf Nachspielzeit
“Schön nur auf dem Platz” von SpiegelOnline.
Der Heckenschütze von Stuttgart International
Obacht! von Rund um den Brustring
Gedankenspiele von Nachspielzeit.

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20 Kommentare

  1. Michael sagt

    ich vermute, dass vertrauen würde komplett zerstört werden und einige werden sich dann vom vfb ganz abwenden…
    wenn dass wirklich alles so stimmt, dann gut nacht….

    ob das alles auch in der sich hinzögernde Vertrags Verlängerung von Mislintag zutun hat?

  2. Ihr habt es immer noch nicht verstanden.
    Claus Vogt ist nicht Präsident.
    Es ist noch eine Wahlanfechtung anhängig.
    Träumt weiter.
    Zudem ist es rechtlich schlichtweg nicht möglich Unterstützungsunterschriften online einzureichen.
    Zudem ist die Frist zur Ausschreibung/Bewerbung zu kurz.

    • Anita sagt

      Gibt es keine Kommunalwahl in der Sie sich mal wieder Einbringen/Einklagen möchten, statt uns, wo wir grade mal zur Ruhe kommen, und UNSEREN Präsidenten mit Ihren Psychospielchen zu belästigen?
      Sie nerven. Lassen Sie den VfB einfach in Ruhe.

  3. Carlo sagt

    Zur DNA des VfBs gehört schon seit MVs Zeiten ganz viel Vetterlesewirtschaft. Was vor vielen Jahren die wenigsten interessiert hat, doch die Zeiten ändern sich und die Fans und Mitglieder haben verstanden, mehr als damals zumindest, das es so heute nicht mehr geht. Wenn der Vereinsbeirat sich gegen die Aufstellung des amtierenden Präsidenten ausspricht…

    Der Lockdown ist irgendwann vorbei und was da dann auf der JHV los sein dürfte…

    Kann sich jeder selbst ausmalen.

  4. thomas sagt

    jetzt, wo es mal gut läuft im verein, kommen die nächsten spinner um die ecke und wollen provozieren. sind die schwaben schon immer so komisch gestrickt, oder habe ich da was verpasst. grüsse aus thüringen

  5. Bernd sagt

    Sehe schon die Tagesordnung des nächsten Mitgliederversammlung vor meinem geistigen Auge:

    TOP 7: Antrag zur Abwahl des Vereinsbeirats Wolf-Dietrich Erhard
    TOP 8: Antrag zur Abwahl der Vereinsbeirätin Claudia Maintok
    TOP 9: Antrag zur Abwahl des Vereinsbeirats James Bührer
    TOP 10: Antrag zur Abwahl des Vereinsbeirats Rainer Weninger
    TOP 11: Antrag zur Abwahl des Vereinsbeirats André Bühler
    TOP 12: Antrag zur Abwahl des Vereinsbeirats Hubert Mörk
    TOP 13: Antrag zur Abwahl des Vereinsbeirats Christof Seeger

  6. Thomas 82G4 sagt

    Mir stellt sich die Frage, ob der VfB der eh abstecken muß überhaupt einen Präsidenten braucht?
    Eigentlich müsste Daimler den kompletten VfB in die Hand nehmen.
    Dann würde es in Stuttgart zukünftig nur noch darum gehen, ob man das Tribbe schafft, oder nicht….
    In der Formel 1 geht’s ja auch.

    • Albert sagt

      Das ist nicht ihr Ernst?? Wie kann man Fußball mit Formel 1 vergleichen? Und wo die „tolle“ Arbeit der Daimlergesandten hingeführt hat sieht man ja. Der VfB e.V. braucht selbstverständlich einen Präsidenten. Ich vermute sie haben nicht allzu viel Ahnung von der Sachlage. Lieber graue Maus als Mitgliederfreundlicher Verein im Bundesligamittelfeld als Tribbe mit Daimler und einem Event/Plastikclub!!

  7. Vereinsbeiräte sind diese unsäglichen Gestalten, die sich verdammt wichtig nehmen und zu nichts zu gebrauchen sind. Zumindest beim VfB fallen sie höchstens durch Unfähigkeit auf.

  8. Simon sagt

    Gibt es auch nur einen einzigen Beleg oder ein Indiz, dass der Vereinsbeirat nicht hinter dem Präsidenten steht? Im Text werden keine genannt. Aber man kann natürlich mal wieder schön Stimmung gegen diverse Personen machen.

    • Simon sagt

      Ihr verlinkt mir hier einen Bericht als Quelle, in denen der Vertikalpass als Quelle zitiert wird? Das ist doch ein Witz. Sorry, aber entweder gibt es Berichte von einigermaßen seriösen Quellen, wie dem Kicker, oder eben nicht. Blog-Beiträge leben ja ein Stück weit von einer reißerischen Aufmachung und nicht vom Wahrheitsgehalt. Da lag der Vertikalpass auch schon in der Vergangenheit m.M.n. öfters daneben. Ich bin mir zu 100% sicher, dass Vogt als Kandidat aufgestellt wird und zudem auch gewählt wird.

      • @buzze sagt

        Nein, tun wir nicht. Deswegen steht ja “Zum Weiterlesen” drüber und nicht “Unsere Quellen”.

  9. […] Wer sich da nun letztendlich an die Zeitung mit den vier Buchstaben gewandt hat, ist im Grunde irrelevant. Entscheidend ist: Beim VfB wird intern wieder gekämpft. Mit harten, dreckigen Bandagen. Oder wie es die Kollegen vom Vertikalpass formulieren: […]

  10. Warum redet ihr immer nur von “Kräften im Hintergrund [und] Besitzstandsbewahrer vs. Reformer?” Warum nennt ihr sie nicht beim Namen? Ernst gemeinte journalistische Frage, aber ich denke auch, dass es doch an der Zeit ist genau die Schuldigen Personen anzuprangern und der Fanszene auch zu zeigen, wer diese genau sind. Ich weiß bis auf 1-2 offensichtliche nicht, wenn ihr es uns nicht sagt.

    Liebe Grüße von Lars

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