Bier, gröhl, viel zu enges Trikot mit Senfflecken drauf – nicht nur auf dem Killesberg ist das das Bild, was man von einem gemeinen Fussballfan hat. Am besten die Straßenseite wechseln, wenn man so einen Typ sieht. Aber tief im Innern sind die Fans doch ganz anders. Grölen macht Spaß, aber eigentlich nur im Stadion und inner verrauchten Sky-Kneipe. Es soll gar Fans geben, die lesen können. Echt jetzt! Ich zum Beispiel habe zuletzt erst “7:1 – das Jahrhundertspiel” gelesen. Das Minutenprotokoll des Halbfinales gegen Brasilien mit einer Unmenge an Erkenntnissen (wichtigster Mann in den ersten 30 Minuten: Sami Khedira) und Fakten von Christian Eichler habe ich regelrecht verschlungen. Dachte, danach könnte ich gleich noch ein Buch lesen, aber die Bestseller-Listen gaben so gar nichts her.
Bei dem Wetter mixte ich mir einen funky Hugo und tagträumte so ein wenig vor mich hin. Ich schloß die Augen und plötzlich sah ich Bücher, die ich lesen möchte. Da ist Daniel Ginczek mit seinem Bestseller „Das Jahr, in dem ich traf“. Es berichtet davon, wie er den VfB vor dem Abstieg bewahrt. Muss ich gleich mal reinlesen:
Als Ginni aus der Umkleidekabine in die grelle Sonne tritt, setzt er lässig seine Piloten-Sonnenbrille von Ray-Ban auf und fährt sich durchs frisch gegelte Haar. Er prüft sein Aussehen im Außenspiegel seines blitzblanken Mercedes und es gefällt ihm. Läuft. Ginni hat seit Wochen einen Lauf. Egal, was er macht, der Ball geht ins Tor. Damit hat er den VfB vor dem Abstieg bewahrt und dafür gesorgt, dass sein Torjäger-Vorgänger – Vedad Ibisevic – nach Istanbul geflüchtet ist. Dafür sind die VfB-Fans ihrem Ginni auf ewig dankbar.
Es bedeutet Ginni nicht viel, wenn ihm die Mädels hinterher schauen, er ist total auf dem Boden geblieben. Im Cafe Boheme kann er seinen doppelten Espresso kaum trinken, ohne dass an den Nebentischen die Hipster-Girls tuscheln und kichern. Manche prosten ihm auch mit einem Kessler Rosé Piccolo zu. Er nimmts cool, das wollte er ja auch immer. Tore. Erfolg. Beachtung. Vor seiner ersten Saison beim VfB hatte er sich die 33 als Rückennummer ausgesucht. Die hatte einst auch Mario Gomez getragen und Ginni war nicht größenwahnsinnig, aber er dachte schon früh daran, so zu werden wie Gomez. Geliebt von den Fans, gefürchtet von den Abwehrspielern und vielleicht auch mal Model werden für BOSS und Pepsi. Auch Gomez fing mal klein an mit sechs Toren in seiner ersten Saison, „Stolper-Hannes“ nannten ihn die Fans.
Ginni übertraf Gomez sofort: neun Tore wurden es, darunter drei Doppelpacks zu Hause gegen Frankfurt, Bremen und Freiburg. Im letzten Spiel schließlich, gegen Paderborn, im absoluten Abstiegsfinale, da war Ginni der Saisonretter: Sein 1:1-Ausgleich nach Flanke seines unberechenbaren Partners Filip Kostic bedeutete die Rettung. Platz 15. Ganz Stuttgart feiert ihn, im Oggi hat er auf Lebenszeit einen reservierten Tisch und muss nicht zahlen. Am kleinen Schlossplatz haben sie ihm einen Parkplatz mit seinem Namen auf den Asphalt gemalt. Ginni entwickelt sich immer mehr zur Stil-Ikone für die VfB-Fans. Die halbe Stadt läuft in einem seiner T-Shirts aus der Collection “Ginni 33” herum. Darauf gedruckt in kunstvoll verschlungener Schrift unter einem stilisierten Lorbeerkranz sein Lebensmotto: „Jeder Augenblick ist eine neue Chance.“
Engtanz in der Schrägi, überall hört er seinen Namen, als Schwung in die Kiste läuft, ziehen alle ihr Oberteil aus und machen den Propeller: Die Bilder von der Feier nach dem Klassenerhalt hat Ginni noch im Kopf als er mit seinem Tattoo-Studio „Zeitlos“ telefoniert. Nachdem er sich den Namenszug seiner Tochter Lou Carlotta auf den linken Unterarm stechen ließ, ist es jetzt Zeit für ein VfB-Tattoo. Erst dachte er an einen ganzen VfB-Brustring, doch dann entschied er sich für ein dezentes 1893 auf der Wade. Darunter soll dann im nächsten Jahr ein 15 stehen. Das wäre ein Tor mehr als Gomez in seiner zweiten kompletten Saison, der Meister-Saison, geschossen hat.
Ich sitze so da, mit halb geschlossenen Augen und da tauchen noch weitere Titel auf. Alles Erfolgsgeschichten:
Wie lebt es sich, das absolute Feindbild der Fans zu sein? Adam Hlousek berichtet in seinem Bestseller, wie er gelassen bleiben kann, täglich hart trainiert und Extra-Schichten schiebt, um sich den Respekt der Fans zu erarbeiten.
The real story behind the VfB-Klassenerhalt: Serey Dié taucht ein in die dunkle, gefährliche Welt des Abstiegskampfs. Eine Welt, vor der er zunächst zurückschreckt, die ihn aber mit unwiderstehlicher Kraft anzieht und die er schließlich besiegt!
Ein Jahr zum Vergessen für den jungen Timo Werner. Aber nächste Saison greift er wieder an. Eine ergreifende Erzählung von Vereinsliebe, Jugend und Abstiegsangst.
Ulrich R. hat bald Geburtstag. Er wird 60 Jahre alt. Eigentlich ein Grund zu feiern. Doch während sich der Präsident und die lokale Presse auf das große Spektakel vorbereiten, hat der langjährige Finanzchef ganz andere Pläne: er verschwindet einfach – und schon bald steht ganz Stuttgart wegen seiner Flucht auf dem Kopf.
Computer waren noch nie sein Ding. Deswegen steht für Finanzchef Ulrich R. schon lange fest, dass er nach 35 Jahren im selben Job endlich etwas ändern muss. Sein Motto: Kanada statt Cannstatt und Grizzly statt Fritzle. Eine packende Aussteigerstory aus dem VfB-Verlag „Edition Vertikalpass“.
Die Lausbuben Maxim und Moritz werden erst durch das triste Reglement der Älteren, wie in der Person des Lehrers Dutt, zu Schandtaten provoziert. Gegen allzu viel Demut und mangelnde Zivilcourage zielen ihre Streiche. Erst nach langwierigem Experimentieren und mit durchaus konträren Maßnahmen kann der gestrenge holländische Lehrmeister Huub die kleinbürgerliche Ruhe wieder herstellen.
Oh, so ein Hugo ist gar nicht so funky wie ich dachte, von dem Drink kann ich auch gut rülpsen. Und Holunderblütensirup ist mehr so ein Mädchen-Ding. Aber wenn dadurch diese Erfolgsgeschichten entstehen, dann trinke ich noch nen paar davon. Wer macht mit?
[…] im Abstiegskampf gibt es noch Träume. So hat der Vertikalpass plötzlich eine Vision einer ganzen Regalreihe voller Bestseller von Stuttgarter VfB-Legenden. […]
Die Leiden des jungen Werner – da hat sich die Lektüre in Klasse 10 also gelohnt:)
Große Kiste!
[…] der Geschichte geworden, wäre die fußballromantische Fiktion meiner Blogger-Kollegen vom Vertikalpass zur Wirklichkeit geworden, ein einziges Tor in diesem Spiel war die Nummer 33 davon entfernt. Timo […]