Was hat der moderne Fußballer im Kopf? Den nächsten Friseurbesuch, das nächste Tattoo-Motiv und den nächsten Auto-Kauf? Oder doch das nächste Spiel und den nächsten Gegenspieler?
„Salopp gesprochen, verblöde ich seit zehn Jahren, halte mich aber über Wasser, weil ich ganz gut kicken kann.“, sagte Nils Petersen vor einigen Wochen in einem Interview und meint, die Freiburger Zuschauer seien klüger als er. Vielleicht sind in Stuttgart die Zuschauer klüger als Dennis Aogo. Der gab nach dem Spiel zu Protokoll, dass „der Trainer uns nicht mit Informationen überfrachtet hat“. Da haben wir also den Grund für die Entlassung Hannes Wolfs: Er hat die VfB-Spieler ganz offensichtlich intellektuell überfordert.
Mussten die VfB-Spieler bei Wolf die Packingrates ihrer Gegenspieler auswendig lernen? Wurden vor dem Anpfiff in der Kabine die Schuhgrößen der gegnerischen Mannschaft abgefragt? Wir wissen es nicht. Aber nachdem bereits Tayfun Korkut in der PK vor dem Spiel in Wolfsburg ankündigte, seine Spieler mit weniger Informationen aufs Feld zu schicken, scheint dies ein Knackpunkt zu sein.
Dennis #Aogo: „Wir haben uns trotz des Rückstandes nicht hängen lassen und haben gut reagiert. Der Trainer hat nicht versucht, uns mit Informationen zu überfrachten, das war der richtige Weg. Man merkt, dass er erfahren ist.“
Unschönes Nachtreten. #VfB
— René (@ReneO_94) 3. Februar 2018
Das führt uns zur Frage: Wie viel darf ein Trainer seinen Spielern zumuten? Und warum ist Pep Guardiola so erfolgreich, obwohl sein Fußball alles andere als einfach ist? “Manni Flanke, Ich Kopf, Tor“, mit dieser einfachen Formel von Horst Hrubesch wurde der HSV in den 80er Jahren Deutscher Meister und Europapokalsieger der Landesmeister. Und es gibt immer noch viele, die so einfach gestrickt sind: „Über den Kampf zum Spiel kommen, alles raushauen, wir müssen eine Einheit sein“ heißen die Parolen dieser Vertreter der guten alten Schule. Mit Vorliebe eingesetzt im Abstiegskampf. Dass Fußball keine Mathematik ist, wusste sogar schon Karl-Heinz Rummenigge – im Gegensatz zu Ottmar Hitzfeld. Aber der hat ja auch von Fußball nicht so viel Ahnung.
Muss ein Trainer nicht nur sein System dem vorhandenen Spielermaterial anpassen, sondern auch die Komplexität seines Fußballs dem Intellekt seines Kaders? Guardiola hatte es da einfach, mit Philipp Lahm, Xavi Alonso, Joshua Kimmich, Javi Martinez standen Spieler in seinem Kader, denen man zutraut, dass sie auch mal ein Buch lesen oder den Satz des Pythagoras verstehen.
Sorry, aber das ist offensiv der gleiche Stiefel, wenn nicht noch schlechter. Gentner auf der Zehn? Geht nicht. Weiß man aber. #VfB
— Jens Nagler (@jens_nagler) February 3, 2018
Natürlich muss man auch die Frage stellen, ob ein Bundesligaspieler besonders intelligent sein muss, um mit vollem Einsatz ins Spiel zu gehen oder ob das nicht eine Selbstverständlichkeit ist – ganz unabhängig vom IQ. Und man muss eigentlich auch kein diplomierter Sportwissenschaftler sein, um einfache Fehler zu vermeiden. Apropos einfache Fehler: Na klar, müssen wir über Andi Beck reden, der das 1:0 verschuldete und gar nicht erst versuchte, das 2:1 zu erzielen, sondern Ball und Verantwortung lieber weiterschob. Aber, wisst ihr was: Ich mag Andi Beck! So, jetzt ist es raus. Ich mag ihn, weil er einer der Spieler ist, die auch ein paar Informationen mehr aufnehmen und verarbeiten können. Schade, dass es gerade für ihn oft blöd läuft.
Hier sieht man deutlich: Der Querpass war alternativlos. #WOBVfB pic.twitter.com/S0Wm6BaNF6
— Vertikalpass (@vertikalpass) 3. Februar 2018
Gegen Wolfsburg reichte eine durchschnittliche Leistung, um die Auswärtspunktzahl zu verdoppeln. Allerdings wurde man das Gefühl nicht los, dass auch nicht viel dazu gehört, um Didavi & Co. in Verlegenheit zu bringen. Wir werden sehen, ob “Geht’s raus uns spielt’s Fußball” auch gegen M’gladbach reicht.
Das wollen wir nicht vergessen: Tolles Debüt von Erik Thommy. So gefährliche Ecken hat man als VfB-Fan schon lange nicht mehr gesehen!
Update:
Mittlerweile hat sich auch Dennis Aogo zu seinem Statement geäußert und das Missverständnis aus der Welt geräumt:
Hallo!
Na eigentlich finde ich eure Website ja ganz okay, aber dieser Artikel gefällt mir ganz und gar nicht. Offensichtlich gehört das berühmte schwäbische Bruddeln zu eurem unabdingbaren journalistischem Handwerkszeug.
Aber mal zum Artikel. Habt ihr Hannes Wolf in Interviews reden gehört? Habt ihr seinen ungeheuren Redefluss erlebt? Wenn ja, dann wisst ihr auch – oder ihr könnt es euch vorstellen – wie es einem Fussballer ergeht, der dieses Trommelfeuer an Informationen über sich ergeben lassen muss. Die Stakkato-Sprache von ihm hat mich an diesem ansonsten überaus sympathischen Trainer schon immer gestört und insofern sind, bezogen auf euren Artikel, tatsächlich weniger Infos – dafür aber individuell bezogen substantielle – wesentlich wichtiger als das Stakkato-Gequatsche eines Hannes Wolf.
Hi!
Zuerst einmal: Du solltest unser “journalistisches Handwerkszeug” nicht überbewerten. Wir sind Blogger, keine Journalisten. Keiner unserer Beiträge hat den Anspruch der Objektivität. Im Gegenteil: Wir möchten sogar unsere persönliche Meinung damit transportieren. Was Du ansprichst, ist doch genau der Punkt: Es ist ja kein Zufall, dass Tayfun Korkut auf der PK vor dem Spiel und Dennis Aogo danach die gleichen Worten wählten: “Nicht zu viele Informationen.” Neben der Frage, ob Hannes Wolf die Spieler tatsächlich überfordert hat, ist die ganze Diskussion interessant. Denn natürlich gibt es intelligente Spieler im Team aber eben auch nicht so helle Kerzen. Bedarf es da einer unterschiedlichen Ansprache? Aber – und dabei bleibe ich – für die Grundtugenden wie Einsatzwille und Aufmerksamkeit brauche es keine Ansprache. Wenn die nicht da sind, hat das andere Gründe.
Grüßle
Sebastian vom Vertikalpass
Spannende Diskussion, die mich schon sehr lange beschäftigt.
Lassen wir mal Aogo außen vor, über diesen Spieler lohnt sich keine Diskussion, erstaunlich fand ich die Aussage von Korkut insofern, da nicht die Menge an Informationen der Schlüssel ist, sondern die Qualität.
Dieses Wort kam bisher in diesem Zusammenhang nicht vor. “Zu viel” heißt für mich eher “ich habe keine Lust, mich damit zu beschäftigen”. Man kann nie zu viele Informationen haben, nur zu viel falsche oder unnötige Informationen.
Hannes Wolf hat im Jugendbereich mit seinen Informationen junge Spieler erfolgreich erreicht, dass kann nicht das Problem sein. Pep Guardiola hat auch Spieler wie Ribery erreicht (und der ist völlig unverdächtig, wenn es um Intellekt geht), und er wird den Spielern von Man City sicherlich nicht weniger Informationen mit auf den Weg geben als es Hannes Wolf in Stuttgart getan hat.
Wir haben ein ganz anderes Problem: Seit Jahren haben wir im Verein mit mittelmäßigen Spielern zu kämpfen, die es sich in der Cannstatter Wohlfühloase eingerichtet haben und jeden Trainer, der ihnen zu anstrengend wird, entsorgen lassen.
Genau dieser Geist spricht aus Aogo. Welcher Geist aus Korkut spricht … keine Ahnung. Aber wenn man seine bisherigen Stationen und Arbeit anschaut, scheint seine Philosophie nicht gerade die Erfolgsvariante zu sein.
Zusammenfassend bleibt zu sagen: Dumm kann unter den richtigen Umständen ganz gut kicken, faul aber nie.
Das trifft den Kern! Stimme dem Kommentar zu!
Wer bei den Informationen nach dem ersten Satz abschaltet (oder abschalten muss) wird es nie verstehen…
Hätte es auch lieber gesehen endlich mal bei einigen der Spieler die nicht mitziehen ein Exempel zu statuieren….
dumme Leut leben glücklicher!
Hallo lieber Vertikalpass,
einen Punkt in der Ferne trotz der Unzulänglichkeiten von A. Beck, ist doch was. Zudem ein toller Einstand von Thommy. Im Rasenfunk Schlussbetrachtung zum 20. Spieltag war Herr Klein vom Münchner Merkur voll des Lobes über Thommy und hat den Verkauf eines solchen Eigengewächs nicht verstanden. Wir Fans den Kauf durch Reschke ja auch nicht „ der soll uns weiter bringen?!“.
Wir trauern weiter um Wolf, sollten aber nicht jede Äußerung der Profis, gerade im Hinblick des o. a. Artikels nicht so ernst nehmen. Ich bin ja nicht Fußballfan weil Hansi M. schlaue Sprüche reißt und Ginzeck auf Instagram meinen Horizont erweitert.
VG
Arne
@Chris
Erstmal danke für das “okay” ;-)
Sebastian und ich haben Hannes Wolf das eine oder andere Mal nach dem Spiel gesehen und erlebt. Seine Sprache ist lebendig und gut verständlich, daran darf es eigentlich nicht gelegen haben. Wie im Text schon steht: Pep Guardiola spielt mit seiner Art des Fußballs und der Kommunikation (!) alles in Grund und Boden ;-)
@Arne
Auf Twitter hat jemand geschrieben, dass die “Zündschnur” vieler VfB-Fans nach den letzten Ereignissen recht kurz ist … von daher werden Insta- und FB-Posts derzeit tendenziell überbewertet und überinterpretiert ;-)
Ein Punkt ist völlig ok, wobei man sagen muss: Wolfsburg war an diesem Tag sogar für den VfB schlagbar. Thommy war auf alle Fälle engagiert, fleißig und schnell. Manchmal allerdings auch hektisch. Seine Standards sind besser als das meiste was wir die letzten Monate gesehen haben. Von daher gibt es durchaus Anlass zur Hoffnung.
@Frank
Schönes Fazit ;-) “Dumm kann unter den richtigen Umständen ganz gut kicken, faul aber nie.”
Hallole nochmal!
Also ich fühle mich irgendwie “genötigt” nochmal auf meinen Beitrag (der Erste von oben) einzugehen. Vorab: Hannes Wolf empfand ich als überaus sympathischen und sicherlich auch kompetenten Trainer.
Aber als ehemaliger Halbprofi (okay, war in den 70er Jahren) muss ich sagen, dass mir seine Ansprachen zu hektisch waren.
Zumindest in den PKs und Interviews.
Und weil sich die Rhetorik eines Menschen ganz einfach nicht ändert nur weil er in der Spielersitzung seine Reden hält, gehe ich davon aus, dass es auch in der Kabine so war. Für mich, der ich auch Trainer im gehobenen Amateurbereich gewesen bin, war immer wichtig, einzelne Spieler ganz konkret anzusprechen, ihnen gewisse Verhaltensweisen vorzuschlagen.
Eine Überforderung der Spieler durch die Art und Weise des Vortrags -zumal es sehr viele ausländische Spieler gibt, die die Sprache nicht perfekt beherrschen- erscheint mir bei Hannes Wolf als zumindest wahrscheinlich gewesen.
Ansonsten, lieber Vertikalpass: WEITER SO!
Noch mal Danke, Chris :-)
Mir war Hannes Wolf weder zu hektisch noch zu schnell, ich habe ihm gerne zugehört und meine auch, das meiste verstanden zu haben … Aber ich kann Deine Gedanken nachvollziehen.
Ich habe Hannes Wolf auch gerne zu gehört. Und als gerade mal Bezirksligakicker hab ich alles wunderbar verstanden. Zumal er alles konkret benennen konnte. Egal ob nun Korkut oder andere, die können meistens nur Floskeln, ohne konkret zu werden.
Bei Hannes Wolf habe ich mir tatsächlich sämtliche PKs mit Freude reingezogen. Seit letzter Woche könnte man wieder das Phrasenschwein im Presseraum aufstellen.