Michael Reschke und Wolfgang Dietrich wollen im Winter den Kader aufrüsten, angesichts von Platz 18 und einem Torverhältnis von 8:21 nach zehn Spieltagen absolut einleuchtend. Aber das wollten sie sowieso machen, sagen sie. Nicht, dass einer auf die Idee käme, sie hätten einen Fehler gemacht, die beiden. Der eine (Reschke) hat schließlich den Fußball erfunden, der andere (Dietrich) steht für Glaubwürdigkeit und Kontinuität. Beide umgehen das Verb „nachbessern“, doch genau darum geht es: Die Fehleinschätzungen des Sommers bei der Kaderplanung zu korrigieren. Natürlich geht es auch darum, den Kader den Wünschen des neuen Trainers Markus Weinzierl anzupassen – Stichwort Geschwindigkeit. Wollen wir mal hoffen, dass er noch in den Genuss der Neuzugänge kommt und nicht schon vorher Erfahrungen mit dem „Schleudersitz“ (Dietrich) in der Mercedesstraße machen musste.
Erst wird von Michael Reschke die phänomenale Rückrunde überschätzt (zugegeben: damit war er nicht der einzige), dann der Vertrag mit Tayfun Korkut verlängert, der wiederum die Mannschaft nicht weiter entwickelt, sondern in allen Belangen – spieltaktisch, personell und fitness-mässig – runterwirtschaftet. Das Ganze führt zu Formkrisen von Leistungsträgern der letzten Rückrunde (u.a. Benji Pavard, Erik Thommy, Ron-Robert Zieler), Verletzungen (Tassos Donis, Borna Sosa, Dennis Aogo, Marc-Oliver Kempf, Daniel Didavi) und letztlich einer viel zu dünnen Personaldecke. Dazu ist der Kader voll von Spielern, denen eine gewisse Geschwindigkeit fehlt (Mario Gomez, Holger Badstuber, Emiliano Insua, Gonzalo Castro), eine der Grundessenzen modernen Fußballs. Aber das Hauptproblem liegt darin, dass sogenannte Führungsspieler wie Badstuber, Gentner, Gomez und Castro keine Leistungsträger (mehr) sind, das führt zu einer Unwucht im Kader, sportlich wie atmosphärisch.
Eine Fehlerkorrektur wollte Reschke insofern vornehmen, indem er Korkut in Aufstellung und Taktik reinredete, wenn man dem Co-Trainer Steven Cherundolo glauben darf. Reschkes Verhalten ist eine Mischung aus Eigensinn und Einsicht. Wir hätten in unserer Verzweiflung wohl auch Einfluss auf die sportliche Ausrichtung nehmen wollen, angesichts der halsstarrigen Betonaufstellungen von Korkut. Nur: das hätte man auch schon wissen können, bevor man ihn verpflichtete.
Wenn du Korkut holst, kriegst du Korkut. Dann aus Angst um Ego und Reputation Einfluss auf die Spielweise nehmen zu wollen, ist inkonsequent und unprofessionell. Bei dieser Geschichte noch schlechter als Korkut rüberzukommen zu kommen, ist eine beachtliche Leistung von Reschke. https://t.co/GMHMyFSm9N
— Seriouz (@Seriouz1893) November 20, 2018
Dietrich und Reschke werden nicht müde zu erklären, dass Verletzungen, Formkrisen und fehlendes Spielglück nichts mit ihren Management-Fähigkeiten zu tun haben. Beide wollen vor allem ihr Revier abstecken und eine Duftnote setzen. Während Reschkes Erklärungen gerne auch einmal blumig sein können, setzt Dietrich eher auf eine klare Kopfnote, auch wenn er manchmal auf Rückfragen eher holzig und herb reagiert. Unverkennbar ist, dass er den einen oder anderen Fragesteller einfach nicht riechen kann.
Im Winter 2017/2018 hat Reschke ausnahmslos Volltreffer gelandet: Erst Gomez (inklusive Verkauf von Simon Terodde), dann Thommy, schließlich Korkut. Alle drei Personalien waren mitentscheidend für den Klassenerhalt in der letzten Saison. Das muss er in diesem Winter wiederholen und seine eigenen Fehler korrigieren, auch wenn er das anders nennen wird, zum Beispiel „Vorgriff auf die nächste Saison”. Man darf gespannt sein, wie er argumentativ die Kurve bekommt bei einem verletzungsanfälligen Spielern wie Gladbachs Patrick Herrmann (27) oder Dortmund Sebastian Rode, die bereits öffentlich gehandelt werden.
Rode, wäre die perfekte Ergänzung der Reihe Castro – Didavi – Beck – Aogo. Hab ich noch jemand vergessen? Und wann kommt der neue Investor, wir brauchen dann doch noch etwas mehr Millionen zum verbrennen.#VfB
— twofourtwo (@two_four_two) 21. November 2018
Der VfB ist zu einer Dietrich-Reschke-AG geworden. In den beiden zentralen Bereichen müssen die zwei Alphatiere nun liefern: Gesucht werden echte Verstärkungen für den Kader und ein zweiter Investor. Denn Kapital wird der VfB brauchen, da nicht unerhebliche Summen bereits in Personalien (z. B. Castro, Badstuber, Korkut) versenkt wurde, die den VfB bisher nicht weiter gebracht haben.
Die Rückrunde wird entscheidend sein – für den VfB Stuttgart und damit auch für Wolfgang Dietrich und Michael Reschke.
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(Titelbild: https://kcgreendotcom.com)
Was soll diese Abhandlung nun sagen? Wo bleibt Konstruktives?
Jetzt hats euch auch in die Herbstdepri gezogen?!
Klar, die Lage ist katastrophal, aber jetzt nur auf den vermeintlichen Fehlern rumreiten, trägt null zur Besserung bei.
Wobei, selbst tolle Ideen hier, bringen nichts in der Realität. Stopp, doch zumindest was gegen die Herbstdepri von uns beiden😉
P. S. Zudem sitzt ihr hier in einigen Teilen, dem “hindsight bias” (“Rückschaufehler”) auf. Oder habt ihr im Sommer einmal darüber berichtet, dass der Kader die Mängel aufweist wie hier im Artikel erwähnt?
Hi Pete, ja, der Herbst … :-)
In der Tat haben wir beispielsweise die Lücken auf Außen und die fehlende Geschwindigkeit sowie die Verpflichtung von Didavi kritisch gesehen.
Haben wir tatsächlich. :-)
https://vertikalpass.de/die-generationenfrage-beim-vfb-stuttgart/
https://vertikalpass.de/willkommen-an-bord-der-stuttyacht/
https://vertikalpass.de/warum-die-dida-rueckkehr-keine-gute-idee-ist/