In seinem letzten Heimspiel gegen Union ging Benjamin Pavard nach Spielende zögernd auf die Cannstatter Kurve zu. Jeder merkte: Da will sich einer verabschieden, da will einer Danke sagen für den Support und sich auch seinen Applaus abholen. Nur nach dem 2:2 im Relegationshinspiel war niemandem mehr nach Beifall zumute. Der Weltmeister hat den Absteiger nun durch die Hintertür verlassen.
Auch wenn Pavard eine alles andere als gute Saison gespielt hat, wäre ihm (wie auch Christian Gentner übrigens) eine würdigerer Abschied zu wünschen gewesen. So gibts keine offizielle Verabschiedung, keinen Blumenstrauß im Mittelkreis und kein Best-of-Video. Schade, zumal Pavard mit den 35 Millionen der Rekord-Transfer in der Geschichte des VfB ist und genau diese Millionen dem VfB auch den nötigen finanziellen Spielraum nach dem Abstieg geben. Aber vielleicht wollte man in der Mercedesstraße nicht zurück schauen, sondern sich voll auf die neue Saison konzentrieren. Das Kapitel Pavard ist Vergangenheit und die möchte der VfB aus nachvollziehbaren Gründen hinter sich lassen.
Natürlich hat Pavard auch seinen Anteil am Abstieg. Es gab Spiele, da konnten alle in seinem Gesicht folgende Frage lesen: „Warum muss ich mir als Weltmeister das antun?“. Negativer Höhepunkt war sicher das Düsseldorf-Spiel, bei dem man ihm den Ekel ansah, Rechtsverteidiger spielen zu müssen. Unter seiner Würde war das aus seiner Sicht. Ein bisschen überheblich ist er geworden, er hielt sich für was Besseres. Dabei haben sie beim VfB alles für ihn getan. Der Präsident hat angeblich sogar höchstpersönlich die Immobilie am Killesberg klar gemacht und ihm das Prinzip der Mülltrennung erklärt, damit sich der Franzose auch wirklich wohl fühlt. Sowas ist beim VfB Chefsache, das sind also die Aufgaben eines Vorsitzenden des AG-Aufsichtsrats. Gut zu wissen.
Als Bankdrücker vom OSC Lille gekommen, als Weltmeister gegangen: Letztlich war Pavard aufgrund seiner Entwicklung und der Ausstiegsklausel nicht mehr zu halten. Es wäre klüger gewesen, ihn direkt nach der WM abzugeben, für wohl deutlich mehr als 35 Millionen. Aber kluge Entscheidungen und der schlaue Herr Reschke kamen in Stuttgart nunmal leider selten zusammen. Wobei: dass Reschke dem OSC Lille die Beteiligung am Weiterverkauf Pavards für einen schmalen Taler abkaufte, darf man ihm getrost auf seiner Habenseite notieren.
Falls jemand sagt, hinterher ist man immer klüger: Es gibt nicht wenige, die nach der WM seinen Abgang befürwortet haben, zu denen gehörten auch wir. Obwohl wir ihn hart vermissen werden, nicht nur, weil er unsere Bilder immer klaute, um sie in seinen Insta-Stories zu verwenden. Wir werden uns nach seinem prickelnden Champagner-Spiel sehnen, nach seinem Bewegungsablauf, der immer so fluffig war wie ein Croissant. Dieses Federfüßige und Luftige in seinem Spiel, seine Eleganz und Spielintelligenz, sein gutes Gefühl zum Schließen defensiver Räume und zum Erschließen offensiver Optionen. Zudem hat er auch kompromisslose Tacklings im Repertoire und ist sich nicht zu schade, einen Ball aufs Tribünendach zu bolzen. Natürlich ist da sein Vertikalpass from heaven bei seinem Debüt 2016 gegen Fürth und was waren wir stolz, als er das spektakuläre 2:2 im WM-Achtelfinale gegen Argentinien schoss. Nein, es war nicht einfach ein Schuss, es war ein Kunstwerk. So einmalig wie Kunstwerke eben sind. Nicht reproduzierbar, ein once-in-a-lifetime-Moment von Pavard.
Zuletzt wurden Zweifel laut, ob die Transfersumme wirklich 35 Millionen beträgt. Zum einen muss man bei den Klauseln von Reschke immer vom schlechtesten ausgehen. Zum anderen ist die Glaubwürdigkeit des VfB so rapide gesunken, da man es mit der Wahrheit oft nicht so genau nahm und sich auch nicht daran erinnerte, dass man vor Monaten genau das Gegenteil gesagt hat. Remember Bercay Özcan: Hier ließ man sich auf der Mitgliederversammlung 2017 für die Verlängerung ohne Aufstiegsklausel feiern, um dann 2019 Özcan an den HSV zu verkaufen, da ansonsten eine spezielle Klausel gegriffen hätte.
Seit 1. Juli ist Pavard ein Spieler des FC Bayern München.
Wir hätten Dich lieber bei einem anderen Verein gesehen, in Paris, Spanien oder in England. Der vielleicht einzig positive Aspekt des Abstiegs ist vermutlich, Dich nicht im Bayern-Trikot im Neckarstadion spielen sehen zu müssen.
Wir wünschen Dir trotzdem alles Gute, Benschamäh. Bonne chance pour votre future carrière! (Noch ein exklusiver Hinweis für Dich: “Uli Hoeness est une saucisse.”)
Titelbild: imago images / Pressefoto Baumann