Alle Artikel in: vp History

Texte über Spieler und Trainer, die heute kaum noch jemand kennt.

Der Fummler

Es gibt sie, die ikonischen Szenen in der VfB-Vereinshistorie: Wataru Endos 2:1 gegen Köln in der Nachspielzeit, Thomas Hitzlspergers 1:1 gegen Cottbus, das 2:1 von Daniel Ginczek in Paderborn, wie Alexandru Maxim nach dem Aufstieg 2017 auf dem Dach der Auswechselbank steht, die Tore von Kevin Kuranyi und Imre Szabics gegen Manchester United. Nur eine kurze Auflistung. Es gibt natürlich noch viel mehr. Zu den Bildern der Vereinsgeschichte, die man nie vergisst, gehört auch der 2:1 Siegtreffer von Guido Buchwald 1992 in Leverkusen. Der Kapitän musste nur noch einnicken, die perfekte Flanke kam von Ludwig Kögl. “Es gibt nur zwoa Möglichkeiten: Entweder i geh links vorbei oder i geh rechts vorbei”, sagte er einmal auf die Frage, wie er seine Gegenspieler ausspielt. In Leverkusen ging er links vorbei an Christian Wörns und nachdem der Ball auf dem Kopf von Buchwald landete, wurde der VfB überraschend Meister. Der Wiggerl, wie man in Bayern einen kleinen Ludwig nennt, galt lange als Riesen-Talent, ging mit 18 von den Löwen zum großen Nachbarn, pendelte aber dort zwischen Bank und …

Der Cheffe

Anfang der 2000er Jahre, da war Schalkes Manager Rudi Assauer in etwa so beliebt in Stuttgart wie Winnie Schäfer. Es kursierte jede Woche ein neues Gerücht: Kuranyi: Was läuft da mit Schalke? Wechselt Hinkel in den Pott? Assauers Plan: Bordon neuer Abwehr-Chef auf Schalke! Und so kam es dann 2004. Auch wenn wir Bordon in unser Herz geschlossen haben, der Brasilianer ist ein echter Königsblauer geworden. 2000 war Bordon für rund 4,5 Millionen Mark aus Sao Paulo an den Neckar gewechselt. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass er eine Zeit lang der beste Abwehrspieler der Bundesliga war. Nach einer kurzen Anlaufzeit entwickelte er sich in Stuttgart zum unumstrittenen Abwehrchef. Er hatte besondere Führungsqualitäten und war Fixpunkt in der Mannschaft, an dem sich seine Mitspieler orientieren konnten. Er hatte das Talent zum Zweikampf mit Signalwirkung, wenn er einen Gegner in beeindruckender Art ablief oder zu einem Tackling heranflog. Wenn er eine Flanke im Strafraum klärte, dann köpfte er den Ball so weit wie andere ihn nicht schießen konnten. Bordon verkörperte den absoluten Siegeswillen auf dem Platz. …

Die Autorität

Soldo bei Köln in der Startelf? Ich hatte mich nicht verlesen. Es ist Nikola, der Sohn von Zvonimir, der auch eine Vergangenheit beim 1. FC Köln hatte: als wenig beliebter Trainer, der einfallslosen und sehr defensiv geprägten Fußball spielen ließ. Mit dem VfB Stuttgart war Zvoni deutlich erfolgreicher, gewann unter Jogi Löw 1997 den DFB-Pokal und erreichte 1998 das Finale im Europapokal der Pokalsieger gegen Chelsea. Er führte die Mannschaft als Kapitän im Champions League-Spiel gegen Manchester United 2003 auf das Feld. Soldo war nicht schnell. Er begeisterte nicht mit technischen Kabinettstückchen. Er hatte in etwa den Aktionsradius von der Größe eines Bierdeckels, meinte man. Aber er stand immer richtig im Raum, gab der Mannschaft Stabilität und Struktur, Führung und Format. Er verstand sich immer als Arbeiter und als Dienstleister für die Mannschaft. Bot sich in schwierigen Situationen bei seinen Mitspielern an, spielte die einfachen Pässe, die so lapidar aussahen, aber große Wirkung im Spielaufbau hatten. Gegnerische Angriffe prallten an ihm ab, seine Grätschen waren fruchterregend, in Kopfballduelle wollte mit ihm sowieso keiner gehen. Soldo …

Sosa (fast) auf den Spuren von Elmer und Greiner

Deadline Day ist immer ein Wahnsinn. Verrückte Gerüchte und noch verrücktere Gerüchte, die wie bei Union Berlin und Isco beinahe wahr werden. Beim VfB standen Dinos Mavropanos und Borna Soasa auf der Kippe. So dringend wie der VfB Geld benötigt, musste man mit allem rechnen. Aber Mavropanos wechselte schießlich nicht zu Inter Mailand und Sosa ging nicht zu Bayer Leverkusen. Überhaupt: Wer geht schon vom VfB nach Leverkusen – von Bernd Leno mal abgesehen? Das wäre wirklich noch verrückter gewesen als ein Isco-Transfer zu den Eisernen. Aber es gibt sie, die VfB-Spieler, die einmal nach Leverkusen wechselten: Linksverteidiger Markus Elmer und Torhüter Uwe Greiner in den 80er Jahren. Wer erinnert sich noch? Uwe Greiner ist mir deshalb eindrücklich in Erinnerung, weil ich ihm als Balljunge in einem Spiel gegen Leverkusen (ausgerechnet) die Kugel zuwarf. Ich stand hinter dem Tor, ein unter Balljungen begehrter Platz obwohl man eine beschissene Sicht hatte. Das Spiel blieb mir in erster Linie in Erinnerung, weil ich endlich in dem riesigen Stadion stand (mit knapp 20.000 Zuschauern spärlich gefüllt) und ich …

Ein Stück Identität des VfB ist gegangen

Wenn heute Sven Mislintat von der DNA des VfB spricht und damit „jung und wild“ meint, geht das auf Jürgen Sundermann Ende der 70er Jahre zurück. Der von vielen “Wundermann” genannte Trainer ist jetzt im Alter von 82 Jahren verstorben. Das letzte Mal coachte Sundermann 2018 anlässlich von 125 Jahren VfB am Tag des Brustrings eine Legendenelf zusammen mit seinen Kollegen Felix Magath, Armin Veh und Christoph Daum. Obwohl er weder Meister noch Pokalsieger wurde und auch nie den Pokal der Landesmeister (Vorgänger der Champions League) erreichte, strahlt sein Stern viel heller als der seiner drei Kollegen. Denn Sundermann gab dem VfB seine Identität. Als er 1976 sein Amt in der zweiten Liga antrat, hatte der VfB eine dramatische Saison im Unterhaus hinter sich. Der Verein war mächtig klamm und Sundermann musste auf den Nachwuchs setzen. Er formte aus den jungen Wilden Hansi Müller, Karlheinz Förster, Bernd Martin, Arno Schäfer, Markus Elmer und Bernd Schmider eine Mannschaft, die mit offensivem Fußball begeisterte und den Aufstieg schaffte. Im damaligen 100-Tore-Sturm gelangen einem gewissen Ottmar Hitzfeld 22 …

Günther Schäfer, Beruf: Fußballgott

Der damalige Präsident Wolfgang Dietrich hatte uns zu einem Gespräch eingeladen. Wir dachten, er will uns ordentlich zusammen brüllen, nachdem wir ihn auf dem Blog verglichen mit einem Chirurg, der nebenher noch ein Beerdigungsunternehmen leitet. Entsprechend angespannt warteten wir am Empfang in der Mercedes Straße auf Dietrich. Das sollte sich ändern, als Günther Schäfer kam. Als wir auf seine Frage, warum wir hier rumstehen würden, den Termin mit Dietrich angaben, sagte er: „Ja, ja, der Präsi lässt immer auf sich warten“. Und dann kam er ins erzählen: Dass er im Moment das Winter-Trainingslager plane, aber Hannes Wolf ungern Entscheidungen träfe. Dass Santi Ascacibar sein legitimer Nachfolger und ein Riesenglücksfall für den VfB sei und dass er jeden Morgen hofft, dass sich Holger Badstuber nicht verletzt. „Stellt Euch vor, der knickt beim Aussteiga aus seim Smart um!“ Wir lachten, wir wollten ihm ewig zuhören, aber dann kam Dietrich. Immerhin brüllte er nicht. 331 Bundesligaspiele für den VfB, zwei Mal Meister (1984 und 1992), zwei Mal Fußballgott – beim VfB und bei Arminia Bielefeld, für die er …

“Schorschi, Schorschi noch einmal, …

… es war so wunderschön. Schorschi, Schorschi noch einmal, wir wollen Tore sehn!“ Leser unserer VfB-Fibel wissen: Wir sind Fans von Georg Volkert, dort schrieben wir unter anderem über ihn: Erst mit knapp 33 Jahren wechselte der gebürtige Franke zum VfB, nachdem er mit dem 1. FC Nürnberg Deutscher Meister und 1977 mit dem Hamburger SV Europapokalsieger geworden war und längst nicht mehr so flink auf den Beinen wie zu Anfang seiner Karriere. 75.000 Mark betrug 1978 die Ablösesumme für Volkert. Eine selbst für damalige Verhältnisse geradezu lächerliche Summe für einen, der lange Zeit als bester Linksaußen Deutschlands galt, den sogar Juventus Turin verpflichten wollte. Volkert hatte seine Launen, er war ein guter Orgelspieler und Sänger, aber am wichtigsten: an guten Tagen war er unwiderstehlich. Würde man einen Film über ihn drehen, so müsste er “Der Trixxer” heißen. Volkert hatte alles drauf, er war ein Fopper, ein Fummler, aber kein Ego-Shooter. Dribbeln bedeutete bei ihm nicht Eigensinn, sondern Raumgewinn. Er konnte Tricks im Stehen, im Laufen und wahrscheinlich auch im Sitzen, er schnickste mit dem …

Die gute Seele des VfB Stuttgart

Gerhard Wörn, der seit 30 Jahren Waden und Oberschenkel knetet und sich nebenbei die Sorgen der Spieler anhört (und schweigt). Peter Reichert, das Multitalent: Fanbetreuer, Übersetzer, Best Buddy von Pavard, Teamanager. Günther Schäfer, der seine Grätschen-Kompetenz seit Jahrzehnten weiter gibt. Jochen Rücker, Chauffeur von Mayer-Vorfelder, Torwarttrainer und lange Jahre Teammanger in kurzen Hosen und mit O-Beinen, durch die ein Rudel Dobermänner laufen konnte. Und Jochen Seitz: Schiedsrichter, Sanitäter, Platzwart, Zeugwart und Betreuer. Die gute Seele des VfB. Einer, dessen Herz stets im Takt des Brustrings schlug. Am Freitag hat es aufgehört zu schlagen. Er wird fehlen. Spieler kommen, Spieler gehen, Trainer, Manager und Präsidenten sowieso. Es sind Menschen wie Wörn und Reichert und Schäfer und Seitz, die den VfB prägten und prägen, die im Hintergrund wirken, fernab der Öffentlichkeit, und die die Konstanten beim VfB bilden. Jochen Seitz war einmalig, ein Unikum im besten Wortsinne, verschmitzter Blick, herzlicher Humor und wohl der einzige Zeugwart der Welt, der nach einem Spiel eine eigene Benotung in der Zeitung erhielt. 6. Oktober 1984: Der VfB spielt in Köln. …

Der Rumpel-Russe: Pavel Pogrebnyak

Wir schreiben den Sommer 2009: Mario Gomez ist für die Rekordsumme von ca. 30 Millionen nach München gewechselt und im VfB-Angriff klafft ein riesige Lücke. Manager Horst Heldt muss einen Stürmer ersetzen, der in 121 Spielen 63 Mal getroffen hatte. Und so begann es. Stuttgart suchte den Stürmerstar. Eine erste heiße Spur führte nach Sinsheim, wo der Aufsteiger als Herbstmeister für Furore gesorgt hatte. Allen voran Demba Ba. Dass er bei den Stuttgarter Verantwortlichen ganz oben auf dem Zettel stand, war kein Wunder. Beim 3:3 der Hoffenheimer in Stuttgart hatte Gomez zwar doppelt getroffen, der Franko-Senegalese aber gleich dreimal. Wochenlang wurde verhandelt, spekuliert, gestreikt (Demba Ba wollte nicht mit ins Trainingslager der Hoffenheimer reisen). Und als sich Demba Ba, Horst Heldt und die Verantwortlichen von Hoffenheim – Jan Schindelmeiser und Ralf Rangnick – endlich einig waren, scheiterte der 16-Millionen-Transfer doch noch: Demba Ba war im Mai ein 41 Zentimeter langer Titannagel aus dem linken Schienbein entfernt worden, der nach einem Beinbruch zwei Jahre zuvor eingesetzt werden musste. Die Heilung nach der OP verlief nicht wie …

Der Spieler, der aus der Kälte kam: Eyjölfur Sverrisson

Das “ö” hatte es mir angetan. Wer ein ö im Vornamen hat, der muss rocken, so ähnlich wie Motörhead, dachte ich mir. Ich hatte gelesen, dass der VfB in der Winterpause 1989/1990 Eyjölfur Sverrisson (über die Schreibweise seines Vornamens existieren im Internet etwa drölf Versionen, ich mag die mit ö) verpflichtete. Nicht nur das ö weckte bei mir große Erwartungen, sondern auch sein isländischer Landsmann Asgeir Sigurvinsson. Der trug die Haare wie Johan Cruyff, hatte die Socken herunter gerollt wie Socrates und besaß den Blick für den freien Raum wie Bernd Schuster. Am 21. April 1990 siegte der VfB 3:1 zu Hause gegen Werder Bremen und Sverrisson feierte sein Bundesligadebüt. Sein erstes Tor schoss Jolly, wie er bald ohne mein ö zu meiner großen Enttäuschung genannt wurde, zwei Spieltage später, als er beim 4:0 Heimerfolg gegen Nürnberg in der 53. Minute eingewechselt wurde. Das Line-up des VfB sah so aus: Eike Immel – Guido Buchwald, Michael Frontzeck, Günther Schäfer – Karl Allgöwer, Maurizio Gaudino, Jürgen Hartmann, Manfred Schnalke, Ásgeir Sigurvinsson – Peter Rasmussen, Fritz Walter. …